• Man kuschelt nicht mit Despoten

    Der sonst eher marktwirtschaftlich geprägte Ulf Poschardt hat heutmorgen in der Welt seine menschelnde Seite gezeigt, als er – ganz den Ärzten mit „Schrei nach Liebe“ folgend – quasi „free hugs“, also kostenlose Umarmungen für Wladimir Putin gefordert hat. Er liegt damit falsch. Die Welt in der Ukraine ist zwar nicht so klar schwarz/weiß, wie viele deutsche Medien es uns weiß machen wollen, aber das Verhalten von Wladimir Putin erinnert doch erheblich mehr an sowjetische oder nationalsozialistische Einmärsche, denn an ein einen hilflosen kleinen Jungen, der sich nach der Liebe des Westens sehnt.

    Oppositionsparteien in der Ukraine nur unwesentlich besser als Janukowitsch

    Aber von Anfang an: Europa und die USA haben es sich zuerst mit dem einseitigen Hochjubeln der ukrainischen Opposition – damit meine ich übrigens nicht die Demonstranten auf dem Maidan, sondern vielmehr die bisherigen politischen Parteien – zu leicht gemacht. Wohl am Unbelasteten, aber leider auch politisch am Unbeschlagensten dürfte noch Klitschko sein. Aber wenn der Tweet von Marina Weisband stimmt, dann wird er schlicht nicht komplett ernstgenommen vor Ort.

    Klitschko wurde im Westen zu einer Erlösergestalt hochstilisiert, als die er in der Ukraine nicht gilt.

    — Marina Weisband (@Afelia) 24. Januar 2014

     

    Gerade Julia Timoshenko hingegen ist selbst nun wahrlich über genügend Korruptionsaffären und Verfolgungen Andersdenkender gestolpert, um sie zur Heilsbringerin zu stilisieren. Deshalb trifft es wohl die Aussage eines liberalen Journalisten:

    „Many of us are sincerely happy, that Yulia Tymoshenko is no longer in jail. But let’s be honest with ourselves: those who wish to see her back in politics are not many.”

    Schlussendlich waren es Julia Timoschenko und Wictor Juschtschenko, die mit ihren Affären und ihrer Fehde nicht nur die Demokratie in der Ukraine in eine Krise gestürzt haben, sondern auch das Wiedererstarken Janukowitschs und seine demokratische Wahl erst ermöglicht haben. Denn, auch wenn Janukowitsch nach allen Bildern und Berichten weit über die Grenzen dessen gegangen ist, was ein Demokrat tun darf, war er demokratisch gewählt. Doch gerade diese Grenzüberschreitung im Amt, der Ausbau der eigenen Rechte, die weitere Spaltung des Landes durch die harsche Abkehr von Europa, das Niederknüppeln und Erschießen der Demonstranten sorgten erst für die Notwendigkeit der Revolution, deren demokratische Kräfte es deshalb zu unterstützen gilt und galt.

    Ob es klug seitens der Revolutionäre war, mit Vorstößen wie der geplanten Abschaffung der russischen Sprache als Landessprache den Spaltpilz zu düngen, darf wohl bezweifelt werden.

    Grundprobleme der Sowjet-Republiken: Willkürliche Grenzen

    Sachlich vorangestellt: Eines der Grundprobleme vieler heutiger territorialer Probleme auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR ist ohne Zweifel die vollkommen willkürliche Grenzziehung der wechselnden Diktatoren der Sowjetunion. Genau wie beim Georgien-Krieg, insbesondere mit Blick auf Abchasien, Stalins Erweiterung der Georgischen Sowjet-Republik eines der Kernprobleme war, ist es heute in der Ukraine Kruschtschows Zuordnung der historisch russischen Krim an die die Ukraine.

    An dieser Stelle sei übrigens ein Blick in den Atlas empfohlen und nicht auf die aktuell in den Medien kursierenden Karten: Die Krim hat geographisch bis auf einige dünne Landbrücken kaum mehr wirkliche Landübergänge zur Ukraine wie zur russischen Küste des Schwarzen Meers. Auf manchen Karten in den Medien erhält man da aktuell einen anderen Eindruck.

    Krim-Krieg reloaded?

    Unabhängig von all diesen Fragen, bleibt die Frage, was heute auf der Krim und in den südöstlichen Teilen der Ukraine geschieht und wie Europa damit umgehen sollte.

    Für mich steht vollkommen außer Frage, dass es sich – anders als Gerhard Schröder – um ein völkerrechtswidriges Vorgehen Russlands in der Ukraine handelt. Denn auch wenn die russischen Soldaten keine Hoheitszeichen tragen, bleiben es doch russische Soldaten. Selbst wenn Putin selbst heute keinen Bedarf für russische Truppen in der Ukraine sieht, sind sie eben real – ohne Hoheitszeichen – schon da.

    Dazu kann man sich die Aussage von Ludwig von Mises nur unterstreichen:

    „Noch ärger ist das Missverständnis, wenn man das Selbstbestimmungsrecht als ‚Selbstbestimmungsrecht der Nationen‘ gar dahin verstanden hat, dass es einem Nationalstaate das Recht gebe, Teile der Nation, die einem anderen Staatsgebiet angehören, wider ihren Willen aus ihrem Staatsverband loszulösen und dem eigenen Staat einzuverleiben.“

     

    Aber was sind die Konsequenzen daraus?

    Der erhobene Zeigefinger der Absage des G8-Gipfels, noch dazu mit angezogener deutsch-französischer Handbremse, kann nicht ernsthaft die einzige Reaktion der Europäischen Union bleiben. Einmal mehr zeigt sich, dass das Stimmengewirr der europäischen Außenpolitik nicht gerade hilfreich ist. Auch wenn Sanktionen schlicht wegen des Vetorechts Russlands nie durch den UN-Sicherheitsrat kommen werden, müssen sie doch Realität werden. Dass der Markt durch seine eigenen Kräfte real bereits Sanktionen schafft, ist ein mehr als positives Zeichen, reicht aber nicht aus. Es zeigt aber, dass dies möglich wäre. Insbesondere mit Blick auf die wohl ohnehin sehr niedrige Akzeptanz des russischen Vorgehens auf der Krim könnten Sanktionen den Druck deutlich erhöhen.

    Der Spitzenkandidat der Liberalen zur Europawahl Alexander Graf Lambsdorff hatte in einem ersten Statement hervorgehoben, dass es für ihn keine militärische Option geben können, da dies sonst Krieg in Europa hieße. Diese Aussage halte ich für falsch bis gefährlich: Natürlich darf eine militärische Option nie die erste Wahl sein. Aber sie gänzlich vom Tisch zu nehmen und mit den Despoten nur á la Neville Chamberlain zu kuscheln hat sich in der Vergangenheit nicht gerade bewährt. Außerdem haben unsere Verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich der Ukraine im Gegenzug dafür, dass sie keine Atomwaffen behält, ein Schutzversprechen abgegeben. Ansonsten droht uns als Kollateralschaden ein nukleares Aufrüsten, da offensichtlich Schutzversprechungen nicht so wirklich viel wert sind. Keine schöne Vorstellung. Mit seinem neueren Statement hat Alexander Graf Lambsdorff seine Position zur Ukraine wieder etwas gerader gerückt.

    Habe ich Sorgen wegen der Gefahr einer militärischen Intervention? Natürlich. Gewaltige sogar. Sie darf nur allerletzte Möglichkeit sein, aber sie ganz auszuschließen bleibt falsch.

     

    Am Ende bleibt für mich: Europa muss gemeinsam mit den USA verhandeln, aber eben auch handeln. Bei allem Verständnis für den Phantomschmerz eines verlorenen Sowjetreiches können wir nicht (erneut) dulden, dass Russland demokratische Staaten teilweise überrennt. Gleichzeitig muss die neue ukrainische Führung Schritte zur Einheit des Landes gehen und das Provozieren der östlichen Ukraine, die nun einmal stärker pro-russisch geprägt ist und auch sein wird, ist nicht hilfreich. Deshalb scheint mir eine klar föderale Ukraine, mit Toleranz zu Entwicklungen sowohl zu Russland als auch zur EU hin, der einzige Weg. Nur diesen Weg einschlagen, können nicht wir. Wir können nur handeln und helfen. Aber eben nicht nur umarmen, sondern auch deutliche Worte und Reaktionen finden.

    Und allen die sich auf die Rede von Putin vor dem Bundestag im Jahr 2001 berufen, sei diese nur zitiert:

    „Wir tun das als ein Volk, das gute Lehren aus dem Kalten Krieg und aus der verderblichen Okkupationsideologie gezogen hat.“

    Das darf man nach den letzten Wochen getrost bezweifeln. Ich tue es zumindest und gegen Okkupationsideologien helfen keine Umarmungen. Das sollte gerade für uns Deutsche eine tragisch gelernte Lektion des 20. Jahrhunderts sein.

  • Gute Bildung – gegen den Glaubenskrieg und für #Freiheit der Schulen

    bildungkleinEine Gesellschaft, in der jeder alles, was seinen Fähigkeiten entspricht, erreichen kann. Das ist für mich als Liberalen das A und O von Chancengerechtigkeit und deshalb ist Bildung mein Herzensthema:

    Wir wollen keine Gleichmacherei, sondern Vielfalt: Für den einen kann das duale Berufsbildungssystem die besten Ergebnisse liefern, manche anderer erzielt in einem grundständigen Gymnasium die besten Lernerfolge und wieder andere schaffen nach der Förderschule den Hauptschulabschluss und für manchen ist eine integrierte Gesamtschule einfach der Ort, der Chancen eröffnet. Wichtig ist dabei, dass jeder für seine Fähigkeiten die bestmögliche Unterstützung durch das Schulsystem erhält. Deshalb will ich nicht, dass wir uns in den ewig gestrigen Grabenkampf von Union auf der einen und Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite stürzen, dessen Ergebnis nur entweder das dreigliedrige Schulsystem oder Gesamtschulen sein sollen..

    Die Vielfalt der Schulsysteme, wie wir sie in Hessen haben, ist etwas, worauf ich sehr stolz bin. Denn ich habe selbst erlebt, wie ein junges Mädchen, das in der dritten Klasse aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, die Chancen einer Gesamtschule so erfolgreich genutzt hat, dass sie am Ende ein besseres Abitur gemacht hat als ich. Ich habe aber auch gesehen, wie für manch anderen der  eher gezieltere Rahmen und das homogenere Schulgeflecht eines Gymnasiums das richtige Lernumfeld waren, um das Abitur zu schaffen.

    Für mich heißt es deshalb: Wir sollten die Schulen möglichst gut ausstatten, ihnen Freiheiten geben – wie wir es in Hessen mit der selbstständigen Schule gemacht haben – und dann dafür sorgen, dass jedes Kind in der Nähe ein entsprechendes Angebot findet, damit Kind und Eltern gemeinsam die richtige Schulform wählen können.

    Aber was heißt gute Ausstattung und wer steht dafür?

    Als Referenzwert kann die letzte Debatte des Hessischen Landtages vor den Wahlen gelten. Die Unionsfraktion hat dabei deutlich hervorgehoben, was den Unterschied zwischen einer schwarz-gelben Regierung mit einer FDP-Kultusministerin und  einer rot-grünen Regierung macht:

    In Hessen haben wir 105% Lehrerversorgung. Das bedeutet 5% mehr Lehrer als gehaltene Unterrichtsstunden, rund 10% mehr als in den rot-grünen Ländern (Rheinland-Pfalz 95%, NRW 95 %, Berlin 96 %, Bremen 92 %, Schleswig-Holstein 94 %).

    Bei den Lehrerstellen sieht es nicht anders aus:  In Rheinland-Pfalz wurden 2.000, in NRW 500, in Baden-Württemberg 11.600, in Niedersachsen 300, in Bremen 50, in Brandenburg 1.000 und in Schleswig-Holstein 3.500 Stellen abgebaut – also von rot-grünen Landesregierungen insgesamt 18.000. . Das Geld hat man in Niedersachsen wohl lieber verwendet, um die Staatskanzlei aufzustocken und für den Grünen Staatssekretär einen Audi A8 als Dienstwagen zu beschaffen, weil ihm, der A6 nicht reichte. Allein in Bayern und Hessen wurden von schwarz-gelben Landesregierungen in den letzten Jahren 14.000 Lehrerstellen geschaffen.

    Wir sollten nicht den Grabenkampf führen, sondern stattdessen deutlich machen, dass gute Bildung etwas mit der Ausstattung der Schulen zu tun hat: Deshalb kämpfe ich für gute Bildung und für Aufstiegschancen. Das und mehr #Freiheit in der Bildungspolitik gibt es mit der FDP!

  • Und wir stehen weiter – auch wenn es Euch nicht passt!

    In dieser Legislaturperiode hab ich schon zig Male von Grünen und Piraten gehört, dass die Liberalen bei der Vorratsdatenspeicherung noch umfallen werden. Diese Beschuldigungen kamen quasi im Monatstakt. Und nun? Heute, vier Jahre nach dem Start dieser Koalition, bin ich stolz auf meine FDP, die mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, mit Gisela Piltz, mit Hartfrid Wolff, mit Marco Buschmann und mit vielen anderen Kurs gehalten hat! Es gibt keine Vorratsdatenspeicherung.

    Auch wenn der hessische Ministerpräsident in einem Interview sagte, dass die Vorratsdatenspeicherung  etwas ganz anderes sei als PRISM oder TEMPORA: sie ist das Ganze privatisiert in klein – quasi PRISM light.

    Es überwacht dann nicht der Staat direkt, sondern er zwingt die Telekommunikationskonzerne dazu, das Ziel jeder Verbindung, jede IP-Adresse im Internet und jede SMS zu speichern. Natürlich sind damit nicht Inhalte abgedeckt, aber auch bei der Frage, wann und mit wem man kommuniziert, geht es um private Informationen. Deshalb: Nein zu PRISM light, nein zur Vorratsdatenspeicherung auch wenn es der Union nicht passt. Wir werden weiter standhaft bleiben.

    Schlussendlich fast es der Satz eines damals 14-Jährigen bei einer Podiumsdiskussion in Lohfelden im Landkreis Kassel schön zusammen:

    Der Unionsvertreter betonte:

    „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“

    Der 14-Jährige erwiderte:

    „Wer nichts zu verbergen hat, führt aber auch ein furchtbar armseliges Leben.“

    Ja, ich habe viele Dinge zu verbergen, die niemanden etwas angehen und schon gar nicht den Staat. Ihr auch?

    Dann kommt am kommenden Samstag nach Berlin zu „Freiheit statt Angst“. Wir müssen unsere #Freiheit jeden Tag wieder verteidigen!

    Hier gibt es den Link zum Facebook-Event zu „Freiheit statt Angst“

  • „Wo kommen Sie denn her – also so richtig?“

    Beitrag im „freiraum“, der Zeitschrift der Stipendiatinnen und Stipendiaten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

    Mein ehemaliger Mitbewohby Maryanne Rodriguezner und sehr guter Freund Rabi kommt aus Kassel. So richtig. Er wurde hier geboren. Er ist in Kassel in die Grundschule gegangen. Er ist gemeinsam mit mir auf das altsprachliche Gymnasium gegangen und hatte im Gegensatz zu mir sogar Altgriechisch. Er hat danach in Göttingen Medizin studiert. Heute ist er promovierter Chirurg.

    Es ärgert mich jedes Mal wieder, wenn ich den folgenden Dialog höre. Irgendwie ist er für mich typisch deutsch und spiegelt die verzweifelte Suche nach irgendeiner Schublade wider. Meistens beginnt so ein Gespräch mit einem noch relativ unverfänglichen:

    „Und, wo kommen Sie denn her?“
    Antwort: „Aus Kassel.“
    Frage: „Und so richtig?“
    Antwort: „Naja, ich bin in Kassel geboren.“
    Frage: „Aber was steht denn in Ihrem Pass?“
    Antwort: „Auch Kassel, ist ein deutscher Pass.“
    Frage: „Aber wo stammen Sie denn her?“

    Mit genügend Elan ließe sich dieser absurde Dialog wohl ins Unendliche fortsetzen. Und warum? Weil Rabi nicht Stefan heißt und vor allem nicht so aussieht wie ein Stefan (um in den Schubladen zu bleiben). Rabis Eltern stammen aus Indien und das sieht man ihm an. Es macht mich wütend wenn ich solche Gespräche höre und üblicherweise sage ich das denjenigen auch. Aber der Drang nach Schubladendenken ist wohl zu groß in unserer Gesellschaft. Irgendwie kommen nur sehr wenige auf die Idee, ihn in die Schublade „Arzt“ oder wahlweise auch „Altsprachler“ oder „Deutscher“ zu stecken, obwohl er dort besser hineinpassen würde – in die letzten beiden wohl noch besser als ich, zumindest ausweislich seiner Latein-/Griechisch- und Deutschnoten zu Schulzeiten.

    Eine tolerante Willkommensgesellschaft sollte nicht darauf achten, woher jemand kommt, sondern was er für unsere Gesellschaft bewegen will. Wir sollten offen sein, statt unsere Zeit mit der Suche nach der nächstbesten Schublade zu verschwenden.
    Vor kurzem saß ich bei einem Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden eines großen deutschen Pharmakonzerns. Dieser Konzern hat eine Auslandsniederlassung geschlossen und den betroffenen Mitarbeitern angeboten, entweder nach Deutschland in den Hauptsitz zu wechseln oder in die Außenstelle in den USA. Fast alle haben sich für die USA entschieden. Das ist nur ein Beispiel, aber ich denke es steht für eine Situation, die uns zu denken geben sollte. Es hat wohl weniger mit der Bürokratie zu tun, zumindest meinte das mein Gesprächspartner, sondern mehr mit der fehlenden Willkommenskultur in Deutschland, die unser Bild im Ausland negativ prägt.

    Das werden wir nicht durch eine politische Order ändern können. Aber wir können jeden Tag daran arbeiten. Wir müssen Alltagsrassismus entgegentreten, wenn er für uns sichtbar wird.
    Im Frühjahr dieses Jahres hatten wir diesbezüglich  eine Diskussion  über den Umgang mit Philipp Rösler. Zu diesem Thema möchte ich aus einer Mail zitieren, die mich erreicht hat:

    „Sehr geehrter Herr Becker,

    der „Chinese muss weg“ ist für mich primär nicht rassistisch, sondern ein Gleichnis für das jämmerliche Erscheinungsbild, das Rösler abgibt. […]“

    Herzlichen Glückwunsch an den Verfasser – eine bessere Zusammenfassung für Alltagsrassismus dürfte in einem Satz kaum möglich sein. Ich bin auch der Meinung, dass Rösler Fehler gemacht hat. Man kann auch der Meinung sein, dass er kein gutes Erscheinungsbild abgibt. Aber das hat schlicht nichts mit seinem asiatischen (und das Land stimmt noch nicht mal) Geburtsort zu tun.

    Aber nicht nur bezüglich der Herkunft und des Aussehens denken wir in Schubladen: Alan Posener hat in der Welt einen spannenden Artikel über die positiven Auswirkungen von Vorhängen für die Qualität von amerikanischen Orchestern geschrieben:

    Seitdem die US-amerikanischen Orchester Musiker bei Bewerbungsverfahren hinter einem Vorhang vorspielen lassen sind laut einer Studie aus Princeton die Chancen durch die Vorrunde zu kommen für weibliche Musikerinnen um 50 Prozent und durch die Endrunde zu kommen um 300 Prozent gestiegen. Auch bei Musikern scheint die Schublade „Frau“ wichtiger als die Schublade „musikalisches Talent“ gewesen zu sein.

    Vielleicht lässt sich diese Erkenntnis nicht unmittelbar auf andere Bereiche übertragen und ich bin selbst noch zwiegespalten, was zum Beispiel anonyme Bewerbungsverfahren angeht – auch und gerade nach den Bewerbungsverfahren, die ich selbst  auf beiden Seiten des Tisches mitgemacht habe. Aber auch ohne staatliche Regelung kann man als Unternehmen durchaus darüber nachdenken und diese Gedanken sollten auch wir nicht einfach aus Reflexen  ablehnen und direkt wieder in eine Schublade packen.

    Mein letztes Beispiel für Schubladendenken stammt direkt hier aus der Stipendiatenschaft und von den Jungen Liberalen. Viele Stipendiaten sehen die Jungen Liberalen als „arrogante, aber ungebildete Politiker, die von Theorie keine Ahnung haben“ und andererseits sehen manche JuLis die Stipendiaten als diejenigen, die „ohne sich zu engagieren und teilweise ohne liberal zu sein abgehoben reden aber vor allem Geld mitnehmen wollen“. Beide Kommentare hat man mir gegenüber tatsächlich geäußert. Am  deutlichsten lässt sich die Schublade mithilfe der Aussage eines Stipendiaten bei einem jugendpolitischen Forum (PPW) der FNF beschreiben, als es um das liberale Grundsatzprogramm ging: „Naja, das ist alles nett hier, aber die Sitzungsleitung hat das Niveau der Naumann-Stipendiatenschaft intellektuell nicht erreicht und die Diskussion hat auch nicht die philosophische Tiefe.“ Die Sitzungsleitung hatten zwei Studienstiftler, im Raum waren bis auf drei oder vier Ausnahmen (mich damals noch eingeschlossen) ausschließlich Stipendiaten oder Altstipendiaten der Naumann-Stiftung (5-6), der Studienstiftung des Deutschen Volkes (3-4) und der SDW (1-2). Einige der Anwesenden haben im Bereich Philosophie oder ähnlichen Fächern promoviert oder wurden gebeten hier zu promovieren. Ich bin mir sicher, dass auch Stipendiaten ähnliche Geschichten mit umgekehrten Vorzeichen über die JuLis berichten könnten. Auch wir sind alle nicht davor gefeit, im Schubladendenken zu verharren.

    germany-land-of-opportunitiesIn manche der beschriebenen Fallen des Schubladendenkens dürfte ich selbst schon einmal gefallen sein. Manchmal braucht man eine Schublade vielleicht zur Vereinfachung, zur Annäherung oder um etwas zu verstehen –  aber man darf dann nie abschließen, sondern muss sich ab und an zwingen, den Schreibtisch aufzuräumen. In den allermeisten Fällen schadet das Schubladendenken, es schürt und festigt Vorurteile.

    Wir werden dieses Problem nicht mit Verordnungen  auflösen können. Um das Schubladendenken zu überwinden, brauchen wir meiner Meinung nach vor allem kritische Selbstreflexion und Ironie, um für Toleranz und Respekt einzutreten. Eine alte Kampagne der Agentur Serviceplan fasste es  auf einem Plakat gut zusammen: „Foreign minister gay, chancellor female, health minister Vietnamese… And you think America is the land of opportunity? Come to Germany, land of opportunities!”

    Das müssen wir leben und dafür eintreten – bei uns selbst genau wie gegenüber anderen.

  • Wir haben das Recht auf einen neutralen Staat

     

    Beitrag zum Pro & Contra deer Hessendepesche der FDP Hessen zum Thema „Trennung von Kirche und Staat“

    Vorweg: Ich bin Mitglied der evangelischen Kirche und hatte noch nie das Verlangen auszutreten, obwohl die politischen Avancen der Kirchenoffiziellen mein Verständnis bis an die Grenzen strapazieren. Aber: Religion ist Privatsache.

    Es ist gut, wenn wir in Hessen den islamischen Religionsunterricht einführen, aber nicht aus religionspolitischer Sicht, sondern aufgrund seiner Bedeutung für die Integration in Hessen.

    Als Liberaler halte ich es für falsch, wenn das Finanzamt meinen „Mitgliedsbeitrag“ für die Kirche einzieht, genauso falsch übrigens, wie irgendwelche Tanzverbote vor Feiertagen. Es käme wohl niemand von uns auf die Idee, einen politisch neutralen Staat aufzufordern, den FDP-Mitgliedsbeitrag einzuziehen oder einen Tag vor Dreikönig das Tanzen zu verbieten, damit alle am nächsten Morgen die FDP-Liveübertragung verfolgen können. Warum also soll der offiziell weltanschaulich neutrale Staat für die ihm genehmen Religionsgemeinschaften diese Services anbietet? Das ist nicht seine Aufgabe, insbesondere nicht, wenn die christliche Nächstenliebe in katholischen Krankenhäusern bei Vergewaltigungsopfern mit Füßen getreten wird und die Kirchen durch weitere Skandalen ihren moralischen Aanspruch torpedieren. Wir brauchen deshalb eine echte Trennung von Kirche und Staat. Davor hätte eine mutige und selbstbewusste christliche Kirche nicht so viel Angst. Sie käme ohne das staatliche Schutzmonopol aus. Wir alle sollten selbst entscheiden, ob wir christlich, muslimisch oder eben nicht-religiös sein wollen ohne –  einseitiges Eingreifen des Staates.

    „Das Finanzamt zieht ja auch nicht den FDP-Mitgliedsbeitrag ein und sorgt dafür, dass einen Tag vor dem Dreikönigstreffen niemand Tanzen darf.“

    Mehr zur JuLi-Beschlusslage: http://jul.is/12rk

     

    Bild: CFalk pixelio.de