Wir haben das Recht auf einen neutralen Staat
Beitrag zum Pro & Contra deer Hessendepesche der FDP Hessen zum Thema „Trennung von Kirche und Staat“
Vorweg: Ich bin Mitglied der evangelischen Kirche und hatte noch nie das Verlangen auszutreten, obwohl die politischen Avancen der Kirchenoffiziellen mein Verständnis bis an die Grenzen strapazieren. Aber: Religion ist Privatsache.
Es ist gut, wenn wir in Hessen den islamischen Religionsunterricht einführen, aber nicht aus religionspolitischer Sicht, sondern aufgrund seiner Bedeutung für die Integration in Hessen.
Als Liberaler halte ich es für falsch, wenn das Finanzamt meinen „Mitgliedsbeitrag“ für die Kirche einzieht, genauso falsch übrigens, wie irgendwelche Tanzverbote vor Feiertagen. Es käme wohl niemand von uns auf die Idee, einen politisch neutralen Staat aufzufordern, den FDP-Mitgliedsbeitrag einzuziehen oder einen Tag vor Dreikönig das Tanzen zu verbieten, damit alle am nächsten Morgen die FDP-Liveübertragung verfolgen können. Warum also soll der offiziell weltanschaulich neutrale Staat für die ihm genehmen Religionsgemeinschaften diese Services anbietet? Das ist nicht seine Aufgabe, insbesondere nicht, wenn die christliche Nächstenliebe in katholischen Krankenhäusern bei Vergewaltigungsopfern mit Füßen getreten wird und die Kirchen durch weitere Skandalen ihren moralischen Aanspruch torpedieren. Wir brauchen deshalb eine echte Trennung von Kirche und Staat. Davor hätte eine mutige und selbstbewusste christliche Kirche nicht so viel Angst. Sie käme ohne das staatliche Schutzmonopol aus. Wir alle sollten selbst entscheiden, ob wir christlich, muslimisch oder eben nicht-religiös sein wollen ohne – einseitiges Eingreifen des Staates.
„Das Finanzamt zieht ja auch nicht den FDP-Mitgliedsbeitrag ein und sorgt dafür, dass einen Tag vor dem Dreikönigstreffen niemand Tanzen darf.“
Mehr zur JuLi-Beschlusslage: http://jul.is/12rk
Bild: CFalk pixelio.de
Von Tittenblondinen, dummen Sprüchen und Sexismus
Eine nüchterne Bestandsaufnahme für Politik und Journalismus von Lasse Becker und Björn Försterling MdL
Die deutsche Politik ist sexistisch. Genauso wie der deutsche Journalismus. Das Leben ist selten schwarz oder weiß, sondern häufig grau. Was heißt das also konkret? Das vergessen, diejenigen, die sich als Journalisten in der aktuellen Diskussion auf Rainer Brüderle stürzen ebenso wie mancher, der das Verhalten Brüderles unreflektiert als normales Flirtverhalten bezeichnet. Aber wie sieht es heute aus mit dem Sexismus in Politik und Journalismus?
Wir greifen hierzu drei Artikel bzw. Passagen aus Artikeln von Journalistinnen der letzten Woche heraus, analysieren und bewerten sie: Sonja Süß für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung („Lachsersatz“, leider online nicht kostenlos verfügbar, kann hier erworben werden), Annett Meiritz für den Spiegel („Man liest ja so einiges über Sie“) und etwas umfangreicher Laura Himmelreich für den Stern („Der Herrenwitz“, leider online nicht kostenlos komplett verfügbar, über GBI kann er vom 24.1.2013 bezogen werden).
Keiner von uns ist gefeit vor Ausrutschern und gerade in den letzten Tagen haben wir natürlich auch unser eigenes Verhalten kritisch hinterfragt. Der eine von uns hat sich bei der Frage ertappt, ob er schonmal Frau Himmelreich auf die Brüste geschaut hat, der andere, ob er ihr eindeutig wirkendes Flirten bei einer Hintergrundrecherche über Philipp Rösler missinterpretiert haben könnte. Beide haben wir mit Sicherheit in der Vergangenheit schon doppeldeutige Sprüche gemacht, die man als Sexismus oder Chauvinismus werten könnte. Das macht es aber nicht besser. Wir schwingen bewusst nicht die Moralkeule über irgendjemanden. Aber wir sind fest davon überzeugt: Die deutsche Politik hat ein gewaltiges Problem mit Sexismus und dem Umgang mit Frauen. Wenn Oliver Olpen in der Neuen Presse ein Problem darin ausmacht, dass Politik vor allem ein Männerclub sei, hat er einfach recht. Das sorgt für eine Atmosphäre, die Probleme erzeugt beziehungsweise potenziert … und zwar egal ob bei der CDU, der SPD, den Grünen, der Linken oder eben der FDP. Wenn eine junge Frau nach einer Kandidaturrede auf einem Landesparteitag zu hören bekommt, wie arm ein Mann sei, der sich in sie verliebt, dann ist das genauso wenig hinnehmbar, wie anzügliche Sprüche oder Bitten nach spezieller Kleidung für Termine, nicht gewollte und aufdringliche körperliche Nähe in Sitzungen oder vieles mehr, was Frauen in der Politik erleben müssen. Die Beispiele vorher stammen übrigens aus drei verschiedenen deutschen Parteien. Dieses Problem zeigt sich auch im Umgang und in den Reaktionen auf manche aktuelle Berichterstattung: Genau wie mancher Pirat mit einer Attitüde zwischen „Sie hat es doch auch gewollt“ und „In Wahrheit hatte sie etwas mit ihm“ auf den Bericht von Frau Meiritz reagiert hat, tun es doch leider auch viele aus den Reihen der FDP auf den Artikel von Frau Himmelreich. Ausdrücklich für unsere Parteifreundinnen und Parteifreunde: Wir waren nicht dabei, wir wissen nicht was passiert ist, aber wir sind der Überzeugung, dass gewisse Kommentierungen der letzten beiden Tage unangemessen waren.
Aber ist es unter Journalisten wirklich so viel anders? Sind es nicht gerade Journalisten, die Katja Suding oder Silvana Koch-Mehrin immer auf ihr Aussehen reduzieren?
Uns ist kein Fall bekannt, in dem David McAllister oder Christian Lindner bescheinigt worden wäre, dass sie nur wegen ihres Aussehens Spitzenkandidaten für die CDU in Niedersachsen oder die FDP in Nordrhein-Westfalen gewesen wären. Daniel Bahr war früher das Werbemotiv für FDP-Kandidatenplakate bei einer kompletten Kampagne, ohne dass ihn heute jemand darauf reduzieren würde. Man stelle sich vor, die Liberalen würden eine Plakatserie mit einer gutaussehenden Jungen Liberalen machen: Die Medien würden ihr das ein Leben lang vorhalten, sie auf das Äußere reduzieren und dafür sorgen, dass es ihr schwer fallen würde ernst genommen zu werden. Der Stern selbst schreibt, dass manche Redaktionen bewusst junge Journalistinnen auf Politiker ansetzen. Da darf man sich schon die Frage stellen, an welcher Stelle Journalismus endet und Prostitution anfängt. Die Berliner Medienlandschaft ist mindestens genauso sexistisch wie die Politik. Ein entlarvendes Beispiel hierfür ist unser erster Artikel:
Titel: „Lachsersatz“
Autorin: Sonja Süß
Medium: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Generelle Glaubwürdigkeit: Mittel. Ihre Reportage dreht sich eigentlich darum, wie hungrig man als freie Journalistin ohne Geld auf einer Wahlkampftour wird. Sie behauptet in einer Jugendherberge 20 Euro ohne Frühstück bezahlt zu haben. Wir haben auf unserer von ihr beschriebenen 72h-Wahlkampftour in Jugendherbergen übernachtet. Das Frühstück war bei uns immer inklusive. Und auf dem Weg zur Jugendherberge in Osnabrück am Ende hatte sie das explizite Angebot mit dem Tourbus mitgenommen zu werden. Wir hätten sie auch zur Pizza in die FDP-Kreisgeschäftsstelle miteingeladen, dann hätte sie sich die 23,80 Euro für das Pizzaessen sparen können. Wir kennen im Übrigen kaum JuLis, die abends mal für 23,80 Euro Pizzaessen gehen. Und was das Eis, spendiert vom JuLi-Bundesvorsitzenden angeht: Tim Braune von dpa hat übrigens auch davon gegessen. Also zumindest drei Fehler, obwohl die FAS behauptet, dass „alles andere stimmt“…
Zitat zum Thema: „Im Bus gibt Rösler abwechselnd Fernsehinterviews, erzählt den Journalisten von seiner Jugend in Bückeburg und rückt für Tittenblondinen zur Seite, die sich für Erinnerungsfotos zwischen ihn und Birkner auf die Sitze im Bus quetschen.“
Wir fragen uns, was mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung passiert ist, dass sie den Begriff „Tittenblondine“ für eine adäquate und natürlich vollkommen unsexistische Wortwahl zur Berichterstattung über wen auch immer hält. Bei der 72h-Wahlkampftour der Julis waren über 30 engagierte junge Menschen, die sich für Politik begeistern und ihre Freizeit dafür opfern Wahlkampf zu machen. Im Übrigen gehören das Werben für seine Positionen und damit auch der Wahlkampf zur Demokratie dazu. Und selbstverständlich möchte man viele Eindrücke und Erinnerungen von solch einer Tour mitnehmen, so dass auch Fotos gemacht werden. Warum wird jetzt also eine junge Frau, die sich in ihrer Freizeit politisch engagiert in der FAS auf ihre Haarfarbe und ihre Brüste reduziert? Hat die Autorin überhaupt mal ein Wort mit ihr geredet? Hat die Autorin sie mal gefragt, weshalb sie sich engagiert? Wäre das nicht ein anspruchsvollerer Inhalt gewesen, als die Abhandlung über Fischbrötchen? Wer sollte mit diesem Sexismus diskreditiert werden? Rösler, die Jungen Liberalen oder die junge Frau? Eine Entschuldigung der Chefredaktion und der zuständigen Journalistin bei den Betroffenen in der FAS am kommenden Sonntag wäre eine angemessene Reaktion. Wir haben eine Vermutung, wer gemeint sein könnte und warten bis dahin auf den Aufschrei der deutschen Medien über den Sexismus der FAS. Diesen Aufschrei gab es – zu Recht – bei unserem zweiten Artikel:
Titel: “Man liest ja so einiges über Sie“
Autorin: Annett Meiritz
Medium: DER SPIEGEL und Spiegel online
Generelle Glaubwürdigkeit: Leider hoch, uns sind bei dem Zitat sofort mehrere Personen aus unseren eigenen Reihen eingefallen, von denen manche Aussage stammen könnte. Die Wahrheit des Teils über die Piraten können und wollen wir auch nicht beurteilen. Vielmehr zeigt der Artikel auf, dass Sexismus in der Politik vorkommt, ebenso wie in der Gesellschaft, was aber nicht als Ausrede genutzt werden darf.
Zitat zum Thema: „Es fühlt sich nicht gut an, wenn mir ein Europaparlamentarier im Vorbeigehen eine Visitenkarte in die Hand drückt, sein Gesicht nah heranschiebt und murmelt: „Sie können sich immer melden. Egal, worum es geht.“
Leider fielen uns sofort einige Abgeordnete ein, von denen ein solcher Spruch stammen könnte. Insgesamt kann man festhalten, dass dieser Artikel wohl in seinem allgemeinen Teil am ausgewogensten darstellt, warum und wie sich Sexismus in der Politik – auch jenseits der Extremfälle der Piraten – hält. Politik ist überwiegend eine Männerveranstaltung und daher versehen mit einem Überschuss an Testosteron. Und dieser Überschuss muss raus. Er endet dann häufig in einem verbalen Brunftkampf. Da gibt es keine Unterschiede zwischen den Männergesprächen abends an der Bar nach Parteitagen und den Männergesprächen in der Umkleidekabine nach einem Fußballspiel der 3. Kreisklasse. Alle, die darin einen plumpen Vergleich vermuten, möchten wir bitten, sich in die Situation der Autorin hineinzuversetzen. Nein, nicht in die Autorin, sondern in den Gesprächspartner nach Ende des Gesprächs: Parteitagsabend. Ihr habt gerade abends beim Essen lange mit der Journalistin gesprochen. Nach dem Gespräch verlässt sie den geselligen Abend, ihr bleibt noch. Ihr geht zurück an die Bar, wollt mit den anderen Delegierten (vermutlich nur Männer) noch etwas trinken. Ihr werdet auf die Situation angesprochen. Vermutlich nicht mit den Worten „War das Gespräch mit der Journalistin erkenntnisreich für beide Seiten?“, sondern eher mit den Worten „Na, was ging da mit der Kleinen?“ Und jetzt die Frage an Euch, was würdet Ihr – mal ehrlich – antworten?
Und das ist ein Problem. Die Erfahrungen, die wir aus allen deutschen Parteien gehört haben und aus unserer eigenen Partei kennen, sprechen da leider eine eindeutige Sprache. Das zeigt Frau Meiritz in einem sauber ausgearbeiteten Bericht ohne Andeutungen und Unterstellungen auf, im Gegensatz zu unserem dritten Artikel:
Titel: „Der Herrenwitz“
Autorin: Laura Himmelreich
Medium: Stern
Generelle Glaubwürdigkeit: Durchwachsen. Manchen zotigen Spruch trauen wir Rainer Brüderle zu, aber insbesondere das Timing einen Tag nach der Nominierung als Spitzenkandidat und ein Jahr nach dem beschriebenen Ereignis lässt die Motivlage des Stern zumindest fraglich erscheinen. Wir waren nicht dabei und können weder belegen, noch widerlegen, was die Autorin schildert. Mancher Spruch erscheint uns glaubwürdig, manche andere Behauptung weniger. Aber die Ehefrau von Rainer Brüderle in den Artikel mit hineinzuziehen ist journalistisch mehr als unsauber und die Bildunterschrift mag lustig klingen, ist aber nicht mehr als eine Beleidigung.
Zitat zum Thema: „Katja, komm doch mal her. Du siehst doch gut aus“, sagt er. Im Gegensatz zu dem männlichen Kollegen durfte sie auf dem Podium nichts sagen. Sie war für die Optik da. „Ich gehör da gar nicht hin“, sagt Suding.
Das Zitat macht eines der Probleme des latenten Sexismus deutlich, den Medien und Politik teilen. Frauen werden häufig auf ihr Äußeres reduziert. Jeder – egal ob jung oder alt – sollte manchen Spruch kritisch hinterfragen. Das hat nichts mit übertriebener politischer Korrektheit zu tun, sondern einfach damit, dass das etwas, was vom einen als normal aufgefasst wird, von anderen als verletzend oder sexistisch wahrgenommen wird. Man kann darüber streiten, warum Laura Himmelreich erst nach einem Jahr just einen Tag nach der Nominierung von Rainer Brüderle zum Spitzenmann der FDP diesen Artikel veröffentlicht. Man kann darüber streiten, ob die Interpretation des Dirndl-Spruches nach einem Oktoberfest-Spruch nicht als etwas ein krudes Kompliment gedacht war. Man kann darüber streiten, ob der Spruch, dass Politiker jungen Journalistinnen verfallen, sonderlich geschickt ist. Aber deshalb zu unterstellen, dass Frau Himmelreich dies befördert hätte, klingt zu sehr nach der „Sie hat es doch auch gewollt“-Logik mit der man sich alles erlauben könnte. Und nur zum Hintergrund, warum es nichts Ungewöhnliches ist, dass an der Hotelbar Journalistengespräche auch um ein Uhr nachts geführt werden: Das ist der Hauptsinn dieser Baraufenthalte. Nur dafür tingeln Staatssekretäre, Präsidiumsmitglieder und Fraktionsvorstand nachts von Tisch zu Tisch. Nur dafür reisen der JuLi-Bundesvorsitzende und der JuLi-Bundespressesprecher an. Und dann spricht man als JuLi-Bundesvorsitzender auch nachts um halb drei eben noch mit Journalisten. Aber eben nicht nur über Politik und so kann der Juli-Bundesvorsitzende nach einem Gespräch mit Laura Himmelreich mit Sicherheit behaupten, dass er ihren ehemaligen Mitbewohner zu Studentenzeiten kennt, aber nicht mehr sagen, wo er vor zwei Jahren überall hingesehen bzw. nicht hingesehen hat. Nur der schwule Ombudsmann kann sicher sagen, dass er ihr, bei ihrer Hintergrundrecherche über Philipp Rösler beim Buko in Gütersloh, nicht auf die Brüste geschaut hat, sondern sich gefragt hat, wann sie merkt, dass er nicht (reden) will.
Liebe JuLis, ja, die deutsche Politik hat ein Sexismus-Problem – die CDU, die SPD, die Grünen, die Linken genauso wie unsere FDP – das sollten wir nicht wegreden.
Liebe Medien, ja, die deutschen Medien haben ein Sexismus-Problem – die FAS genau wie der Stern – das sollten Sie nicht wegreden.
Lassen Sie uns gemeinsam und sachlich darüber reden und dagegen kämpfen, anstatt journalistisch unsaubere Unterstellungen, Beschuldigungen und Effekthaschereien zu forcieren.
Über die Autoren:
Lasse Becker ist Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen.
Björn Försterling ist niedersächsischer Landtagsabgeordneter und Bundesombudsmann der Jungen Liberalen.
Beide haben zusammen mit vielen anderen JuLis vor zwei Jahren gemeinsam die Initiative gestartet, die Umgangsformen bei den Jungen Liberalen kritisch zu hinterfragen.
Lotusblume statt Wasserpest
Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung zu den Kommentaren von Daniela Kuhr und Heribert Prantl:
Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion der Süddeutschen Zeitung,
Ihr Kollege Heribert Prantl verglich die FDP mit der „Wasserpest“, weil sie ihr „neoliberales“ politisches Programm überall verbreiten wolle. Damit tut Herr Prantl uns – sicherlich ungewollt – den Gefallen, den fundamentalen Unterschied zwischen seiner Weltsicht und einer liberalen direkt in seinem Kommentar mitzuliefern: Anders als Herr Prantl, der in seinem Artikel mit absoluter Selbstverständlichkeit Behauptungen darüber aufstellt, was „die Bürger“ wollen und was nicht, sind wir Liberale fest davon überzeugt, dass nur einer am besten weiß, was „der Bürger“ will: „Der Bürger“ selbst.
Aufgrund dieser Freiheitsliebe fordern wir Jungen Liberalen die Abschaffung des Ehegattensplittings. Gebraucht wird stattdessen ein Modell, in dem die steuerlichen Grundfreibeträge aller Familienmitglieder flexibel von denjenigen in Anspruch genommen werden können, die die Familien unterhalten. Eine bessere Begründung für diese Forderung, als sie Ihre Kollegin Daniela Kuhr nicht einmal einen Monat nach Herrn Prantls Artikel in ihrem Kommentar liefert, hätten wir kaum bieten können. Wird die Süddeutsche jetzt etwa langsam zur „Wasserpest“ oder haben Sie dazugelernt? Es scheint schon sehr doppelzüngig, dass Sie sich einerseits in ihrem Kommentar „Ehegattensplitting – Weg damit!“ selbst modern und liberal geben, inhaltlich sogar eine Forderung der Jungen Liberalen aufgreifen, und dennoch der einzigen liberalen Partei, der FDP, anlasten, die „Wasserpest“ zu sein.
Wenn Sie bereit wären, auch Wassergewächsen Blüten zuzugestehen, würde Sie vielleicht der nächsten Schritt jungliberaler Politik interessieren: Ausgehend von der Individualbesteuerung kann man, wenn man bereit ist, außerhalb der bestehender Schranken zu denken, auch ein Lebensmodell unterstützen, das darauf baut, dass Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen – unabhängig von Verwandtschaft oder sexueller Beziehung: die Verantwortungsgemeinschaft. Wenn zwei ältere Damen und drei ältere Herren in einer Seniorengemeinschaft füreinander da sind und gegenseitig dafür sorgen, dass keiner von ihnen in ein Altersheim muss, ist das nicht weniger wert als eine gleichgeschlechtliche Ehe oder eine „klassische“ Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern – die heute ohnehin nicht mehr die Lebensrealität vieler Menschen darstellt. Vielleicht stellen Sie beim zweiten Blick fest, dass das was Heribert Prantl irrtümlich für die „Wasserpest“ hielt, beim genauen Hinschauen eine Lotusblume ist.
Mit besten Grüßen
Ihr Lasse Becker
Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen