• Treffen mit Rita Groß und Miriam Hollstein

    Twitter-Troll-Treffen im Real-Life

    Vor ein paar Wochen hatten Miriam Hollstein (@hollsteinm) von der BamS und ich auf Twitter einen Disput mit dem Twitter-Account @hundebrunomama von Rita Groß aus Potsdam über Aufkleber der identitären Bewegung, die muslimische Läden kennzeichneten. Ich fühlte mich dabei an vergangene Zeiten erinnert


    und konnte die Verteidigung dieser Aufkleber wirklich nicht nachvollziehen. Der Dialog schaukelte sich etwas hoch (beidseitig) und bei mir erwuchs die feste Überzeugung, dass @hundebrunomama  ein Fake-Profil oder eine sehr enttäuschte Wutbürgerin sein musste. Um das zu überprüfen, schlug ich vor, dass man sich – da Potsdam ja nicht so weit weg von Berlin ist – am Freitag vor unserem Bundesparteitag treffen könnte. Rita Groß (@hundebrunomama) hat dem zugestimmt und so ging es gestern gemeinsam mit @hollsteinm nach Potsdam – eigentlich immer noch in der Erwartungshaltung, dass es ein Fake-Profil sein könnte und wir unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen könnten.

    Wer den Account @hundebrunomama auf Twitter anschaut, wird sehen, dass der Account radikal ist, radikal und aggressiv.

    Vor Ort trafen wir dann eine reflektierte Frührentnerin, die selbst angab, auf Twitter provozieren zu wollen, um eine Gegenöffentlichkeit gegen die von ihr gefühlte einseitige linksorientierte Berichterstattung zu schaffen, und deshalb zum Mobilisieren aggressiv auf Twitter unterwegs sei. Frau Groß sagt selbst, nie in der AfD gewesen zu sein, sie aber zu unterstützen, obwohl sie diverse Charaktere dort (Stichwort: Poggenburg) hörbar verachtete. Die Sorge um ihre Heimat treibt sie an – und Heimat hat dabei nichts mit Kreuzen in Verwaltungsstuben zu tun, die sie selbst albern fand.

    Während für mich Heimat durchaus auch eine europäische Komponente hat, war es für sie mit einer Biographie mit Brüchen (in der DDR aufgewachsen und teils von der Stasi verfolgt, danach in den Westen gegangen und später wieder zurück) ein sehr lokales Heimatgefühl.

    Gleichzeitig ist sie aber nicht die Wutbürgerin, die man sich so vorstellt, sondern berichtete sehr offen von einem Gespräch mit zwei syrischen Flüchtlingsjungen an einem Baggersee, die nach der (auch aus ihrer Sicht nötigen Flucht aus Syrien) aufgrund des konservativen Vaters Probleme haben, in Deutschland anzukommen, auch wenn sie an ihrem Abitur arbeiteten.

    Von ihren inhaltlichen Positionen im Gespräch würde Frau Groß im konservativeren Spektrum von CDU, SPD, FDP oder Linken kaum auffallen. Nur: Ihr Twitter-Account ist und bleibt so, dass ich sie eher Höcke oder Poggenburg als gemäßigten AfDlern zugerechnet hätte. Darüber haben wir auch lange diskutiert und vielleicht einen Nachdenkprozess ausgelöst.

    Bei mir gibt es jetzt einen Prozess des Nachdenkens :

    Wie können es Politik und Medien schaffen, Personen wie Frau Groß, deren Meinung ich zwar an vielen Stellen nicht teile, die aber ein hohes politisches Wissen und eigentlich auch eine Position im konservativen Spektrum der Union haben könnte, wieder anzusprechen? Genauso wie ich sie vor unserem Treffen für einen Twitter-Fake hielt, hielt sie uns wahrscheinlich wahlweise für eine Hofschranze (Journalistin) oder einen Altparteien-Apparatschik. Wir werden es wohl nicht schaffen, mit jeder Bürgerin, die sich von Politik und Medien abgewendet hat, einzeln zu sprechen, aber das immer mal zu tun, könnte helfen, um das Verständnis zu erhöhen.

    Hingefahren bin ich in der Erwartung, einen übelgelaunten Twitter-Troll mit Hass, aber ohne Wissen über Politik zu treffen, getroffen habe ich eine gut gelaunte Frührentnerin mit ihrem Hund, die zwar enttäuscht ist von Politik, aber ein Wissen hat, das manches Parteimitglied nicht haben dürfte und sehr konkrete Vorstellungen, wie sich das Land entwickeln sollte, die aber auch aufs Heftigste polarisiert, um eine vermeintlich notwendige Gegenöffentlichkeit zu schaffen.

    Wie können wir es schaffen, wieder eine gemeinsame Kommunikationsebene anstelle von zwei Öffentlichkeiten zu schaffen?

  • Jugendmedienschutzstaatsvertrag … ein Wortungetüm ohne Internetsachkenntnis

    Öffnungszeiten (Quelle: photocase.com)Aktuell läuft die Diskussion um den Jugendmedienschutzstaatsvertrag … der ist nicht nur ein ausgewachsenes Wortungetüm, sondern auch ähnlich sperrig und antiquiert im Umgang mit dem Internet:

    Ideen, wie Zeitfenster zur Internetnutzung für spezielle Jugendschutzmaßnahmen z.B. bei Computerspielen, die FSK beschränkt sind, scheinen in Zeiten der weltweiten Internetnutzung nicht nur unsinnig, sondern aufgrund ihrer regionalen Begrenztheit auf Deutschland auch vollkommen wirkungslos. Viele Anbieter von entsprechenden Spielen (oder Foren dazu) würden im Zweifelsfall sofort mit ihren Servern ins Ausland ziehen. Und vollkommen unerträglich waren die Bestrebungen doch wieder Internetzensur-Strukturen zu schaffen (was aber inzwischen wieder vom Tisch ist): Wenn die Bundesregierung schon (zu) lange braucht, um Löschen statt Sperren durchzusetzen, sollten nicht zeitgleich die Bundesländer versuchen durch einen Staatsvertrag Sperr-Strukturen schaffen zu wollen. Natürlich ist der Jugendschutz auch im Internet wichtig, aber da sind einerseits die Eltern gefragt – entsprechende Tools gibt es ja – und andererseits sind die Medienkompetenz, z.B. an Schulen, und die Eigenverantwortung gefragt.

    Insgesamt kann man beim Jugendmedienschutzstaatsvertrag eigentlich nur den Eindruck haben, dass Leute, die vom Internet keine Ahnung haben und denen irgendjemand schnell ihre Homepage gebaut hat, so tun, als wäre das Internet ein allein in Deutschland existierendes Netzwerk, mit dem Politiker machen könnten, was sie wollen. Das ist, ehrlich gesagt, ziemlicher Blödsinn.

    Doch was heißt das jetzt für das JuLi-Handeln?

    Natürlich ist die konkrete Frage der Ausgestaltung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages  – wie ich schon beim Landeskongress der JuLis in Rheinland-Pfalz gesagt habe – Landessache, aber gerade die Verzahnung der Länder mit FDP-Beteiligung ist hierbei wichtig. Ich habe mich deshalb nochmal bei unserem stellvertretenden Ministerpräsidenten und dem zuständigen FDP-Experten im Hessischen Landtag erkundigt, wie die Situation aktuell aussieht: Wir JuLis sind hier gefordert. Die hessische FDP-Fraktion hat der Staatskanzlei bereits Kritik am Jugendmedienschutzstaatsvertrag mitgeteilt und wird dies auch weiter tun, aber eine Abstimmung mit anderen Bundesländern befindet sich noch in der Vorbereitung, bzw. könnte bei der Fraktionsvorsitzendenkonferenz begonnen haben. Deshalb haben wir JuLis, in ganz Deutschland, aber besonders auch in den Ländern mit FDP-Regierungsbeteiligungen also in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein die Aufgabe, dieses Thema in die FDP zu tragen und die notwendige Sensibilisierung zu wecken. Eine gemeinsame Verzahnung kann da für uns alle nur von Nutzen sein und sollte durch die Bundesebene erfolgen.