• Laden in Jermuk

    Der Tag, an dem wir den Euro nach Jermuk brachten

    Jermuk liegt in Armenien zwischen dem Sewansee und Yerevan. Bekannt ist der Ort für sein Mineralwasser, das man fast im gesamten Kaukasus trinken kann. Es gibt natürlich auch andere Getränke vor Ort. Und für die benötigt man Cash. Aber von Anfang an:

    Das erste Mal waren wir im Jahr 2007 in Jermuk. Einem ehemaligen sowjetischen Luftkurort, in dem gerüchteweise ein paar Jahrzehnte zuvor der Diktator Stalin im ersten Haus am Platz genächtigt hatte. Wir hingegen waren im „First House of Recreation“ einem „sleazy soviet sanatorium“, wie der Lonely Planet die anderen ehemaligen Sanatorien auch nannte, untergebracht. Wir, das war eine Gruppe junger Liberaler, die für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Workshops mit Jugendorganisationen – von AIESEC bis zu den Jugendorganisationen diverser politischer Parteien – gehalten hab, um für demokratische Strukturen zu werben und Fähigkeiten zu schulen.

    Laden in JermukÜblicherweise holten wir uns am ersten Tag für das jeweilige Land die lokale Währung am nächsten Geldautomaten. So hatte es zumindest vorher in Aserbaidschan und Georgien funktioniert und so war zumindest der Plan auch in Jermuk. Nachdem wir keinen Geldautomaten gefunden hatten, fragten wir einen Taxifahrer um Rat. Der bot freundlicherweise an, uns die 40km bis zum nächsten Geldautomat zu fahren, was wir aber höflich ablehnten. Ein Blick in unsere Geldbörsen ergab, dass wir nur noch eine sehr begrenzte Menge US-Dollar dabei hatten, aber noch genügend Euro.

    Also ging es in einen Minimarket/Tante-Emma-Laden mit grandios guten Oliven, an die sich der aktuelle JuLi-Bundesvorsitzende wahrscheinlich noch heute freudig zurückerinnern wird. Dort versuchten wir den Ladenbesitzer zu überzeugen, diese komischen Banknoten mit dem € drauf zu akzeptieren. Dank der Übersetzungsleistung einer armenischen Freundin tat er das dann auch, wenn auch skeptisch und etwas widerwillig. Gekauft wurden ein Kasten Bier, ein paar Softdrinks, ein wenig Wodka und viele Oliven. Der Gegenwert in Euro war bei normalen Wechselkurs so gering, dass wir dem Händler einen verdammt guten Euro-Kurs gemacht haben.

    Als wir am nächsten Tag wieder kamen, hatte er zwischendrin wohl geprüft, was diese komische bunte neue Währung wert war und war mit unserem Wechselkurs mehr als zufrieden. Wir haben in der Woche noch drei Mal bei ihm eingekauft und am letzten Tag verabschiedete er uns, in dem er uns ein „langes und gesegnetes Leben“ wünschte.

    So haben junge Liberale den Euro nach Jermuk gebracht, nachdem wir einen Umweg fahren mussten, um nicht in die rituelle Aufrechterhaltung des Krieges zwischen Aserbaidschan und Armenien zu kommen. Das ist allerdings – genau wie die Granathülsen auf dem Parkplatz unseres Autos in Gori – eine andere Geschichte.

     

    In loser Folge möchte ich über kuriose und besondere Momente (positiv wie negativ) in inzwischen fast 20 Jahren Politik berichten. Beginnen möchte ich mit einer der witzigeren Geschichten aus dem Jahr 2001. Spoiler: Es wird eine „Opa-erzählt-vom-Krieg“-Geschichte, aber das dürfte in dieser Rubrik fast immer der Fall sein.

  • Für Meinungsfreiheit kämpfen heißt nicht, Blödsinn unwidersprochen zu lassen

    Auf der Demonstration Freiheit statt AngstNachdem ich das vierte Mal als Referent der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Südkaukasus teilgenommen habe, geht es diesmal im Blog um die Meinungsfreiheit:

    Wenn wir zum Beispiel über Meinungsfreiheit  in Armenien reden, dann geht es darum, dass Seminarteilnehmer zusammengeschlagen werden, dass Demonstranten aus politischen Jugendorganisationen im Gefängnis landen, dass Versammlungen schlicht verboten werden. Das sind grundsätzliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit, gegen die wir mit unseren Partnern vor Ort kämpfen. Demokratie und Freiheit sind Grundwerte, die man wahrscheinlich erst in einem undemokratischen und unfreien Umfeld wirklich schätzen lernt.

    Zur Meinungsfreiheit gehört  aber auch, dass man sich  vor Diskussionen nicht versteckt. Angela Merkel hat vollkommen zu recht Kurt Westergaard für seinen Beitrag zur Meinungsfreiheit geehrt. Es ist nicht hinnehmbar, wenn aus religiöser Intoleranz die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Nur dabei ist es mir egal, ob es die katholische Kirche bei „Popetown“ (einer relativ schlechten Fernsehserie, an die sich heute wahrscheinlich  kaum ein Mensch erinnert) oder Muslime bei Muhammed-Karikaturen sind: Die damalige Idee, ein „Malen nach Zahlen“ als Reaktion aus den kritisierten Motiven im Mitgliedermagazin j+l zu machen, habe ich durchaus richtig gefunden. Nur: Man kann für die Meinungsfreiheit streiten und trotzdem die inhaltlichen Positionen ablehnen.

    Ich fand „Popetown“ dumm und teile Sarrazins Äußerungen nicht, trotzdem würde ich immer dafür kämpfen, dass ein solches Buch oder eine solche Ramsch-Serie erscheinen dürfen.

    Allerdings ist das für mich eine Selbstverständlichkeit in einem  demokratischen und toleranten Staat wie Deutschland. Und NEIN: Ich muss nicht in einem Blogeintrag über Sarrazin etwas zu Meinungsfreiheit sagen, wenn ich seine Aussagen kritisiere. Aber ich käme ja auch nicht auf die Idee, wenn ich in einer Pressemitteilung die Jusos  für unsinnige Forderungen zum Mindestlohn kritisiere, dahinter zu schreiben „Aber ich respektiere natürlich, dass die Jusos eine andere Meinung haben.“

    Das ist selbstverständlich. Oder sollte es zumindest sein.

    Deshalb sollten wir uns auf den wirklichen Schutz der Meinungsfreiheit zurückbesinnen. Die Gefährdung war zum Beispiel nach den Westergaard-Karikaturen da. Und sie ist – wie ich am Wochenende wieder vor Augen geführt bekommen habe – in vielen Ländern der Welt weitaus kritischer. Deshalb müssen wir bei uns selbst, aber auch bei anderen für das Recht auf freie Meinungsäußerung kämpfen.

    Ich freue mich durchaus über jede E-Mail, die ich dazu bekomme – gerade nach der Kritik an den Seehofer-Äußerungen vom Wochenende – allerdings gehört zur Meinungsfreiheit auch ein Verzicht auf verbale oder reale Gewalt und deren Androhung gegen Leute, die nicht die gleiche Meinung haben … nur so als kleine Ermahnung an manchen wutschnaubenden E-Mail-Verfasser der letzten Tage.