• Letzte Ratgeber zur Europawahl

    Morgen findet ja die Europawahl statt und heute möchte ich an dieser Stelle unentschlossenen noch zwei Ratgeber mit auf den Weg geben:

    Einerseits dürfte der Wahl-O-Mat zur Europawahl vielen bekannt sein und gerade auch für diejenigen in Deutschland hilfreich sein.

    Letzte Woche neu entdeckt habe ich „MeineWahl2014“, ein Tool, dass die eigenen Prioritäten mit denen der einzelnen Abgeordneten vergleicht. Gab bei mir überraschende Ergebnisse (Liberale zwar vorne aber innerhalb der FDP sehr gemischt).

    Hier für jeden zum Mitmachen in meine Seite integriert:

  • Frei und mit neuem Schwung

    Ideen für die Arbeit der FDP Hessen

    Bei unserem Landesparteitag in Gießen haben wir Fehler analysiert und Stefan Ruppert hat danach bereits als  Kandidat für den FDP-Landesvorsitz einige Ideen skizziert. In Bad Soden gilt es, einen Neuanfang nicht nur auf dem Papier zu starten, sondern auch inhaltlich, strukturell und öffentlich zu untermauern.

    Hierbei möchte ich als neuer stellvertretender Landesvorsitzender mitarbeiten und meine Ideen skizzieren. Kernaufgabe für uns Liberale sollte es sein, dass jeder – egal ob jung oder alt –, für den Freiheit ein wichtiges Thema ist, die FDP auch wieder als seinen oder ihren Ansprechpartner in der Politik sieht.

    Zukunftsthemen neu erobern

    Die FDP im Bund wie in Hessen war sich in den letzten Jahren häufig selbst genug. Seit den harten Diskussionen um Online-Durchsuchungen, Studiengebühren oder die Kinderschule – also seit fünf bis zehn Jahren – haben wir Liberalen kaum grundlegend neue Ideen entwickelt. Das muss sich wieder ändern. Hier sind alle Mitglieder, alle Delegierten und die gesamte Führung gefragt. Das Beispiel Kinderschule zeigt aber auch, dass Projekte immer wieder auf ihre Umsetzbarkeit überprüft werden müssen. Dies darf jedoch nicht den kreativen Prozess zur Entwicklung neuer Ideen unterbinden.

    Meine Themen, die ich besonders bearbeiten möchte, weil sie meine Herzensthemen sind, sind Bildung, Infrastruktur & Innovation und Europa. Was können wir Liberalen zum Beispiel von der Aufsteigernation Polen in der Bildungspolitik – insbesondere was die Selbstständigkeit und die Freiheiten von Schulen angeht, bei der unsere Kultusministerinnen schon viel bewegt haben – lernen? Wie können wir die Qualität des Unterrichts verbessern? Wie gelingt es uns, digitale (und analoge) Infrastruktur in ganz Hessen zu schaffen? Welche Folgen hat der demographische Wandel aus liberaler Sicht für den ländlichen Raum? Wie kriegen wir die Nadelöhre des Verkehrs in unserer Logistikregion Hessen geöffnet? Wie schaffen wir es, Europa schlanker und attraktiver werden zu lassen? Welche Ziele haben hessische Liberale für unsere Region im Herzen Europas?

    Das sind alles Fragen, die mich beschäftigen. Um diese und anderen Themen effektiv bearben zu können, müssen wir Strukturen der inhaltlichen Arbeit verändern: Wir müssen die Landesfachausschüsse besser verzahnen und für alle interessierten Mitglieder öffnen. Thematische Anregungen für die Parteiführung und die Fraktion sind gerade in Zeiten einer kleinen Fraktion für die inhaltliche Arbeit sinnvoll. Jeder Landesfachausschuss sollte es zum Ziel haben, mindestens einmal im Jahr einen Antrag im Landesparteitag zu stellen. Gleichzeitig muss auch der generelle Zuschnitt der Landesfachausschüsse diskutiert werden. Im kommenden Jahr sollten wir eine Diskussion darüber führen, an welchen Stellen es sinnvoll ist, Fachausschüsse zusammenzulegen oder zu trennen. Temporäre Intensivarbeitsgruppen für Querschnittsthemen, wie sie von unserer Bundesgeneralsekretärin angeregt werden, können eine sinnvolle Ergänzung sein.

    Regelmäßige Treffen der Programmatiker in Präsidium und Landesvorstand mit den  Landesfachausschussvorsitzenden sowie den Vorfeldorganisationen sind wichtig und sollten mindestens jährlich stattfinden. Gerade mit den Vorfeldorganisationen können hieraus auch Kooperationen im Bereich der Außenwirkung Vorteile ermöglichen.

    Darüber hinaus sind auch die Strukturen oberhalb der Landesebene zu berücksichtigen.
    Klar ist für mich, dass Leitanträge mit Ausnahme von Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse immer mit dem regulären Antragsbuch versandt werden sollten und kompakt (idealerweise nicht mehr als 3-5 Seiten) sein sollten. Um thematische Diskussionen mit den Fachausschüssen und deren Einbeziehung zu erleichtern, sollten Leitthemen möglichst für das Jahr vorab festgelegt werden. Natürlich können trotzdem Fälle eintreten, in denen akute Themen diese Agenda kurzfristig verändern, aber als Richtschnur erscheint dies hilfreich.

    Strukturen modernisieren

    Als ich vor vierzehn Jahren Mitglied der FDP Hessen wurde, waren die Antragsbücher selten mit weniger als zehn bis fünfzehn Anträgen gefüllt. Dies hat sich leider geändert, was an der Attraktivität von Parteitagen nagt. Der Frage, ob zuerst die Parteiführung und die Fraktion die Beschlüsse weniger berücksichtigt haben oder zuerst die Delegierten und Verbände weniger Anträge gestellt haben, wird man nie Klärung verschaffen können. Wichtig ist jetzt, beides zu ändern:

    Um die Bedeutung der Parteitage sichtbarer zu machen, sollte auf www.fdp-hessen.de eine strukturierte Beschlusslage aller Parteitagsbeschlüsse sichtbar werden, diese Beschlüsse vom Landesvorstand noch einmal thematisiert und über deren Umsetzung dem nächsten Landesparteitag berichtet werden.
    Leichtere Strukturen zur direkten Einbringung auf allen Ebenen sollten auch in Hessen diskutiert werden, dieses Feld ist aus meiner Sicht eine der zentralen Aufgaben für einen einzuführenden Generalsekretär. Auch Überlegungen, gebündelte Mitgliederentscheide einmal Jährlich stattfinden zu lassen, Urwahlen für Spitzenkandidaturen zu diskutieren, Funktionsträgerschulungen anzubieten oder Argumentationshilfen zu verfassen sind hier diskussionswürdige Punkte.

    Überzeugt bin ich, dass seitens der Landesebene weniger Druck durch Formalia auf die Untergliederungen ausgeübt werden sollte, sondern stattdessen die Landesgeschäftsstelle und die Fraktion kampagnenfähiger Dienstleister beziehungsweise inhaltlicher Ratgeber für die FDP-Untergliederungen sein soll. Falls nötig, müssen hierfür auch Strukturen für weniger Administration und mehr Gestaltung angepasst werden.
    Die Öffnung für moderne Kommunikationsformen bei Veranstaltungen durch Live-Streams und echten Dialog auf Twitter und Facebook sowie die Nutzung zum Beispiel von YouTube ist für mich unerlässlich für die Arbeit der hessischen Liberalen.

    Um diese Ziele auch in der Vorstandsarbeit zu erreichen, benötigt der Landesvorstand strukturierte Sitzungen mit einer „echten“ Tagesordnung statt der ewigen „politischen Aussprachen“. Der Landesvorstand muss sich selbst als Arbeitsgremium begreifen: Jedes Vorstandsmitglied sollte Aufgaben fest zugewiesen bekommen und Betreuungsgebiete (außerhalb des eigenen Kreisverbands) übernehmen. Mindestens das Landespräsidium, idealerweise der gesamte Landesvorstand, sollte schriftlich auch dem Parteitag alle zwei Jahre Rechenschaft ablegen.
    Klare Führungsstrukturen beinhalten auch Führungsentscheidungen durch das Landespräsidium sowie bei wichtigeren Fragen durch den Landesvorstand und bei grundsätzlicheren Fragen durch den Landesparteitag. Dafür bedarf es mehr Sitzungen des Landespräsidiums als des Landesvorstands sowie zusätzlich Telefonkonferenzen, um gerade ehrenamtliche Mitarbeiter nicht zu überlasten. All diese Sitzungen haben sich auf die Arbeitszeiten der Bevölkerung und nicht der Abgeordneten auszurichten.

    Die Einführung eines Ombudsmitglieds im Vorstand (später auch vom Parteitag gewählt) analog des Ombudsmitglieds als Anwalt der Basis und Ansprechpartner bei Konflikten und Problemen in der Partei gehört zu modernen Strukturen ebenso wie der Dialog vor Ort:

    Deshalb sollte in jedem Bezirk der FDP einmal im Jahr der Landesvorstand tagen und an diesen fünf Sitzungen sollen auch alle Mitglieder zu einer offenen Diskussionsrunde im Anschluss eingeladen werden.

    Mitmachpartei in Hessen werden

    Mitglieder, die aus den Jungen Liberalen stammen, wissen, dass es hier weitaus mehr Angebote sowohl für Mitglieder als auch für Externe gibt als häufig in der FDP. Um attraktiv zu sein, sollte intern wie extern der Dialog ausgebaut werden:

    Testweise sollte im Jahr 2014 ein programmatisches Wochenende der FDP Hessen eingeführt werden, bei dem verschiedene Themen breiter und nicht nur von Funktionsträgern diskutiert werden können.
    Jeder Landesfachausschuss sollte idealerweise einmal jährlich eine öffentliche Diskussionsveranstaltung, Informationsreise oder Online-Konferenz durchführen, um Mitgliedern, die noch nicht zum Stamm eines Fachausschusses gehören, einen leichteren Einstieg zu ermöglichen. Diese Veranstaltungen sollen in allen Bezirken stattfinden. Jede Landesfachausschusssitzung sollte aber generell mitgliederöffentlich sein.

    Bestehende Veranstaltungen, wie die Landesparteitage, sollen um ein attraktives Rahmenprogramm erweitertet werden, von Neumitgliedertreffen, über thematische Treffen ist vieles denkbar. Gerade bei bestehenden Veranstaltungen sollte auch eine Evaluation über die Wahrnehmung der Teilnehmer erfolgen.
    Durch die Öffnung interessanter Veranstaltungen für Online-Besucher – mit Interaktion soweit möglich – kann ein breiteres Publikum angesprochen werden.

    Darüber hinaus sollten sowohl lokal als auch überregional Multiplikatoren angesprochen werden. Für die Untergliederungen sind hierfür Unterstützungen durch die Landesebene sinnvoll. Aber auch für die Landesebene sind neue Ansprechpartner wichtig: Die FDP muss neben Wirtschaftsverbänden auch den Kontakt zu Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und anderen Organisationen suchen.

    Sowohl klassische Medien als auch neue Medien sollten von Liberalen ernst genommen und als Dialogpartner auf Augenhöhe gesehen werden: Wenn schon Gespräche mit einem vermeintlichen Kritiker kritisch gesehen werden, schadet das der Liberalen Außenwahrnehmung. Für diesen Dialog müssen wir auch neue Veranstaltungsformate entwickeln.

    Die beste Werbung für die Freiheit und die Freiheitspartei FDP sind unsere Mitglieder, deshalb sollten wir diese und ihre Vielfalt auch gezielt nutzen und auf Homepage, im Mitgliedermagazin, dass auch stärker für die Mitglieder als Autoren und für kontroverse Themen geöffnet werden sollte, sowie auf unseren Werbemitteln sichtbar werden lassen. Gerade auch den Vorfeldorganisationen kommt Bedeutung zu, Interessierte an Politik heranzuführen und neue Themen zu diskutieren.

    Liberale koalieren in erster Linie mit den Bürgerinnen und Bürgern, um unsere Ziele umzusetzen. Da absolute Mehrheiten für die FDP kurzfristig eher unwahrscheinlich erscheinen, sind hierfür Gespräche mit anderen Parteien nötig. Für mich gibt es dabei keinen Unterschied zwischen Grünen, SPD und CDU als politischen Mitbewerbern. Gespräche sollten mit allen geführt werden, Grundskepsis gegenüber allen bleiben, aber ein Dialog in vertrauensvoller Sacharbeit ist mit allen drei Parteien möglich.

  • Gute Bildung – gegen den Glaubenskrieg und für #Freiheit der Schulen

    bildungkleinEine Gesellschaft, in der jeder alles, was seinen Fähigkeiten entspricht, erreichen kann. Das ist für mich als Liberalen das A und O von Chancengerechtigkeit und deshalb ist Bildung mein Herzensthema:

    Wir wollen keine Gleichmacherei, sondern Vielfalt: Für den einen kann das duale Berufsbildungssystem die besten Ergebnisse liefern, manche anderer erzielt in einem grundständigen Gymnasium die besten Lernerfolge und wieder andere schaffen nach der Förderschule den Hauptschulabschluss und für manchen ist eine integrierte Gesamtschule einfach der Ort, der Chancen eröffnet. Wichtig ist dabei, dass jeder für seine Fähigkeiten die bestmögliche Unterstützung durch das Schulsystem erhält. Deshalb will ich nicht, dass wir uns in den ewig gestrigen Grabenkampf von Union auf der einen und Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite stürzen, dessen Ergebnis nur entweder das dreigliedrige Schulsystem oder Gesamtschulen sein sollen..

    Die Vielfalt der Schulsysteme, wie wir sie in Hessen haben, ist etwas, worauf ich sehr stolz bin. Denn ich habe selbst erlebt, wie ein junges Mädchen, das in der dritten Klasse aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, die Chancen einer Gesamtschule so erfolgreich genutzt hat, dass sie am Ende ein besseres Abitur gemacht hat als ich. Ich habe aber auch gesehen, wie für manch anderen der  eher gezieltere Rahmen und das homogenere Schulgeflecht eines Gymnasiums das richtige Lernumfeld waren, um das Abitur zu schaffen.

    Für mich heißt es deshalb: Wir sollten die Schulen möglichst gut ausstatten, ihnen Freiheiten geben – wie wir es in Hessen mit der selbstständigen Schule gemacht haben – und dann dafür sorgen, dass jedes Kind in der Nähe ein entsprechendes Angebot findet, damit Kind und Eltern gemeinsam die richtige Schulform wählen können.

    Aber was heißt gute Ausstattung und wer steht dafür?

    Als Referenzwert kann die letzte Debatte des Hessischen Landtages vor den Wahlen gelten. Die Unionsfraktion hat dabei deutlich hervorgehoben, was den Unterschied zwischen einer schwarz-gelben Regierung mit einer FDP-Kultusministerin und  einer rot-grünen Regierung macht:

    In Hessen haben wir 105% Lehrerversorgung. Das bedeutet 5% mehr Lehrer als gehaltene Unterrichtsstunden, rund 10% mehr als in den rot-grünen Ländern (Rheinland-Pfalz 95%, NRW 95 %, Berlin 96 %, Bremen 92 %, Schleswig-Holstein 94 %).

    Bei den Lehrerstellen sieht es nicht anders aus:  In Rheinland-Pfalz wurden 2.000, in NRW 500, in Baden-Württemberg 11.600, in Niedersachsen 300, in Bremen 50, in Brandenburg 1.000 und in Schleswig-Holstein 3.500 Stellen abgebaut – also von rot-grünen Landesregierungen insgesamt 18.000. . Das Geld hat man in Niedersachsen wohl lieber verwendet, um die Staatskanzlei aufzustocken und für den Grünen Staatssekretär einen Audi A8 als Dienstwagen zu beschaffen, weil ihm, der A6 nicht reichte. Allein in Bayern und Hessen wurden von schwarz-gelben Landesregierungen in den letzten Jahren 14.000 Lehrerstellen geschaffen.

    Wir sollten nicht den Grabenkampf führen, sondern stattdessen deutlich machen, dass gute Bildung etwas mit der Ausstattung der Schulen zu tun hat: Deshalb kämpfe ich für gute Bildung und für Aufstiegschancen. Das und mehr #Freiheit in der Bildungspolitik gibt es mit der FDP!

  • Und wir stehen weiter – auch wenn es Euch nicht passt!

    In dieser Legislaturperiode hab ich schon zig Male von Grünen und Piraten gehört, dass die Liberalen bei der Vorratsdatenspeicherung noch umfallen werden. Diese Beschuldigungen kamen quasi im Monatstakt. Und nun? Heute, vier Jahre nach dem Start dieser Koalition, bin ich stolz auf meine FDP, die mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, mit Gisela Piltz, mit Hartfrid Wolff, mit Marco Buschmann und mit vielen anderen Kurs gehalten hat! Es gibt keine Vorratsdatenspeicherung.

    Auch wenn der hessische Ministerpräsident in einem Interview sagte, dass die Vorratsdatenspeicherung  etwas ganz anderes sei als PRISM oder TEMPORA: sie ist das Ganze privatisiert in klein – quasi PRISM light.

    Es überwacht dann nicht der Staat direkt, sondern er zwingt die Telekommunikationskonzerne dazu, das Ziel jeder Verbindung, jede IP-Adresse im Internet und jede SMS zu speichern. Natürlich sind damit nicht Inhalte abgedeckt, aber auch bei der Frage, wann und mit wem man kommuniziert, geht es um private Informationen. Deshalb: Nein zu PRISM light, nein zur Vorratsdatenspeicherung auch wenn es der Union nicht passt. Wir werden weiter standhaft bleiben.

    Schlussendlich fast es der Satz eines damals 14-Jährigen bei einer Podiumsdiskussion in Lohfelden im Landkreis Kassel schön zusammen:

    Der Unionsvertreter betonte:

    „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“

    Der 14-Jährige erwiderte:

    „Wer nichts zu verbergen hat, führt aber auch ein furchtbar armseliges Leben.“

    Ja, ich habe viele Dinge zu verbergen, die niemanden etwas angehen und schon gar nicht den Staat. Ihr auch?

    Dann kommt am kommenden Samstag nach Berlin zu „Freiheit statt Angst“. Wir müssen unsere #Freiheit jeden Tag wieder verteidigen!

    Hier gibt es den Link zum Facebook-Event zu „Freiheit statt Angst“

  • „Wo kommen Sie denn her – also so richtig?“

    Beitrag im „freiraum“, der Zeitschrift der Stipendiatinnen und Stipendiaten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

    Mein ehemaliger Mitbewohby Maryanne Rodriguezner und sehr guter Freund Rabi kommt aus Kassel. So richtig. Er wurde hier geboren. Er ist in Kassel in die Grundschule gegangen. Er ist gemeinsam mit mir auf das altsprachliche Gymnasium gegangen und hatte im Gegensatz zu mir sogar Altgriechisch. Er hat danach in Göttingen Medizin studiert. Heute ist er promovierter Chirurg.

    Es ärgert mich jedes Mal wieder, wenn ich den folgenden Dialog höre. Irgendwie ist er für mich typisch deutsch und spiegelt die verzweifelte Suche nach irgendeiner Schublade wider. Meistens beginnt so ein Gespräch mit einem noch relativ unverfänglichen:

    „Und, wo kommen Sie denn her?“
    Antwort: „Aus Kassel.“
    Frage: „Und so richtig?“
    Antwort: „Naja, ich bin in Kassel geboren.“
    Frage: „Aber was steht denn in Ihrem Pass?“
    Antwort: „Auch Kassel, ist ein deutscher Pass.“
    Frage: „Aber wo stammen Sie denn her?“

    Mit genügend Elan ließe sich dieser absurde Dialog wohl ins Unendliche fortsetzen. Und warum? Weil Rabi nicht Stefan heißt und vor allem nicht so aussieht wie ein Stefan (um in den Schubladen zu bleiben). Rabis Eltern stammen aus Indien und das sieht man ihm an. Es macht mich wütend wenn ich solche Gespräche höre und üblicherweise sage ich das denjenigen auch. Aber der Drang nach Schubladendenken ist wohl zu groß in unserer Gesellschaft. Irgendwie kommen nur sehr wenige auf die Idee, ihn in die Schublade „Arzt“ oder wahlweise auch „Altsprachler“ oder „Deutscher“ zu stecken, obwohl er dort besser hineinpassen würde – in die letzten beiden wohl noch besser als ich, zumindest ausweislich seiner Latein-/Griechisch- und Deutschnoten zu Schulzeiten.

    Eine tolerante Willkommensgesellschaft sollte nicht darauf achten, woher jemand kommt, sondern was er für unsere Gesellschaft bewegen will. Wir sollten offen sein, statt unsere Zeit mit der Suche nach der nächstbesten Schublade zu verschwenden.
    Vor kurzem saß ich bei einem Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden eines großen deutschen Pharmakonzerns. Dieser Konzern hat eine Auslandsniederlassung geschlossen und den betroffenen Mitarbeitern angeboten, entweder nach Deutschland in den Hauptsitz zu wechseln oder in die Außenstelle in den USA. Fast alle haben sich für die USA entschieden. Das ist nur ein Beispiel, aber ich denke es steht für eine Situation, die uns zu denken geben sollte. Es hat wohl weniger mit der Bürokratie zu tun, zumindest meinte das mein Gesprächspartner, sondern mehr mit der fehlenden Willkommenskultur in Deutschland, die unser Bild im Ausland negativ prägt.

    Das werden wir nicht durch eine politische Order ändern können. Aber wir können jeden Tag daran arbeiten. Wir müssen Alltagsrassismus entgegentreten, wenn er für uns sichtbar wird.
    Im Frühjahr dieses Jahres hatten wir diesbezüglich  eine Diskussion  über den Umgang mit Philipp Rösler. Zu diesem Thema möchte ich aus einer Mail zitieren, die mich erreicht hat:

    „Sehr geehrter Herr Becker,

    der „Chinese muss weg“ ist für mich primär nicht rassistisch, sondern ein Gleichnis für das jämmerliche Erscheinungsbild, das Rösler abgibt. […]“

    Herzlichen Glückwunsch an den Verfasser – eine bessere Zusammenfassung für Alltagsrassismus dürfte in einem Satz kaum möglich sein. Ich bin auch der Meinung, dass Rösler Fehler gemacht hat. Man kann auch der Meinung sein, dass er kein gutes Erscheinungsbild abgibt. Aber das hat schlicht nichts mit seinem asiatischen (und das Land stimmt noch nicht mal) Geburtsort zu tun.

    Aber nicht nur bezüglich der Herkunft und des Aussehens denken wir in Schubladen: Alan Posener hat in der Welt einen spannenden Artikel über die positiven Auswirkungen von Vorhängen für die Qualität von amerikanischen Orchestern geschrieben:

    Seitdem die US-amerikanischen Orchester Musiker bei Bewerbungsverfahren hinter einem Vorhang vorspielen lassen sind laut einer Studie aus Princeton die Chancen durch die Vorrunde zu kommen für weibliche Musikerinnen um 50 Prozent und durch die Endrunde zu kommen um 300 Prozent gestiegen. Auch bei Musikern scheint die Schublade „Frau“ wichtiger als die Schublade „musikalisches Talent“ gewesen zu sein.

    Vielleicht lässt sich diese Erkenntnis nicht unmittelbar auf andere Bereiche übertragen und ich bin selbst noch zwiegespalten, was zum Beispiel anonyme Bewerbungsverfahren angeht – auch und gerade nach den Bewerbungsverfahren, die ich selbst  auf beiden Seiten des Tisches mitgemacht habe. Aber auch ohne staatliche Regelung kann man als Unternehmen durchaus darüber nachdenken und diese Gedanken sollten auch wir nicht einfach aus Reflexen  ablehnen und direkt wieder in eine Schublade packen.

    Mein letztes Beispiel für Schubladendenken stammt direkt hier aus der Stipendiatenschaft und von den Jungen Liberalen. Viele Stipendiaten sehen die Jungen Liberalen als „arrogante, aber ungebildete Politiker, die von Theorie keine Ahnung haben“ und andererseits sehen manche JuLis die Stipendiaten als diejenigen, die „ohne sich zu engagieren und teilweise ohne liberal zu sein abgehoben reden aber vor allem Geld mitnehmen wollen“. Beide Kommentare hat man mir gegenüber tatsächlich geäußert. Am  deutlichsten lässt sich die Schublade mithilfe der Aussage eines Stipendiaten bei einem jugendpolitischen Forum (PPW) der FNF beschreiben, als es um das liberale Grundsatzprogramm ging: „Naja, das ist alles nett hier, aber die Sitzungsleitung hat das Niveau der Naumann-Stipendiatenschaft intellektuell nicht erreicht und die Diskussion hat auch nicht die philosophische Tiefe.“ Die Sitzungsleitung hatten zwei Studienstiftler, im Raum waren bis auf drei oder vier Ausnahmen (mich damals noch eingeschlossen) ausschließlich Stipendiaten oder Altstipendiaten der Naumann-Stiftung (5-6), der Studienstiftung des Deutschen Volkes (3-4) und der SDW (1-2). Einige der Anwesenden haben im Bereich Philosophie oder ähnlichen Fächern promoviert oder wurden gebeten hier zu promovieren. Ich bin mir sicher, dass auch Stipendiaten ähnliche Geschichten mit umgekehrten Vorzeichen über die JuLis berichten könnten. Auch wir sind alle nicht davor gefeit, im Schubladendenken zu verharren.

    germany-land-of-opportunitiesIn manche der beschriebenen Fallen des Schubladendenkens dürfte ich selbst schon einmal gefallen sein. Manchmal braucht man eine Schublade vielleicht zur Vereinfachung, zur Annäherung oder um etwas zu verstehen –  aber man darf dann nie abschließen, sondern muss sich ab und an zwingen, den Schreibtisch aufzuräumen. In den allermeisten Fällen schadet das Schubladendenken, es schürt und festigt Vorurteile.

    Wir werden dieses Problem nicht mit Verordnungen  auflösen können. Um das Schubladendenken zu überwinden, brauchen wir meiner Meinung nach vor allem kritische Selbstreflexion und Ironie, um für Toleranz und Respekt einzutreten. Eine alte Kampagne der Agentur Serviceplan fasste es  auf einem Plakat gut zusammen: „Foreign minister gay, chancellor female, health minister Vietnamese… And you think America is the land of opportunity? Come to Germany, land of opportunities!”

    Das müssen wir leben und dafür eintreten – bei uns selbst genau wie gegenüber anderen.

  • Wir haben das Recht auf einen neutralen Staat

     

    Beitrag zum Pro & Contra deer Hessendepesche der FDP Hessen zum Thema „Trennung von Kirche und Staat“

    Vorweg: Ich bin Mitglied der evangelischen Kirche und hatte noch nie das Verlangen auszutreten, obwohl die politischen Avancen der Kirchenoffiziellen mein Verständnis bis an die Grenzen strapazieren. Aber: Religion ist Privatsache.

    Es ist gut, wenn wir in Hessen den islamischen Religionsunterricht einführen, aber nicht aus religionspolitischer Sicht, sondern aufgrund seiner Bedeutung für die Integration in Hessen.

    Als Liberaler halte ich es für falsch, wenn das Finanzamt meinen „Mitgliedsbeitrag“ für die Kirche einzieht, genauso falsch übrigens, wie irgendwelche Tanzverbote vor Feiertagen. Es käme wohl niemand von uns auf die Idee, einen politisch neutralen Staat aufzufordern, den FDP-Mitgliedsbeitrag einzuziehen oder einen Tag vor Dreikönig das Tanzen zu verbieten, damit alle am nächsten Morgen die FDP-Liveübertragung verfolgen können. Warum also soll der offiziell weltanschaulich neutrale Staat für die ihm genehmen Religionsgemeinschaften diese Services anbietet? Das ist nicht seine Aufgabe, insbesondere nicht, wenn die christliche Nächstenliebe in katholischen Krankenhäusern bei Vergewaltigungsopfern mit Füßen getreten wird und die Kirchen durch weitere Skandalen ihren moralischen Aanspruch torpedieren. Wir brauchen deshalb eine echte Trennung von Kirche und Staat. Davor hätte eine mutige und selbstbewusste christliche Kirche nicht so viel Angst. Sie käme ohne das staatliche Schutzmonopol aus. Wir alle sollten selbst entscheiden, ob wir christlich, muslimisch oder eben nicht-religiös sein wollen ohne –  einseitiges Eingreifen des Staates.

    „Das Finanzamt zieht ja auch nicht den FDP-Mitgliedsbeitrag ein und sorgt dafür, dass einen Tag vor dem Dreikönigstreffen niemand Tanzen darf.“

    Mehr zur JuLi-Beschlusslage: http://jul.is/12rk

     

    Bild: CFalk pixelio.de

  • Von Tittenblondinen, dummen Sprüchen und Sexismus

    JuLi-TourEine nüchterne Bestandsaufnahme für Politik und Journalismus von Lasse Becker und Björn Försterling MdL

    Die deutsche Politik ist sexistisch. Genauso wie der deutsche Journalismus. Das Leben ist selten schwarz oder weiß, sondern häufig grau. Was heißt das also konkret? Das vergessen, diejenigen, die sich als Journalisten in der aktuellen Diskussion auf Rainer Brüderle stürzen ebenso wie mancher, der das Verhalten Brüderles unreflektiert als normales Flirtverhalten bezeichnet. Aber wie sieht es heute aus mit dem Sexismus in Politik und Journalismus?

    Wir greifen hierzu drei Artikel bzw. Passagen aus Artikeln von Journalistinnen der letzten Woche heraus, analysieren und bewerten sie: Sonja Süß für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung („Lachsersatz“, leider online nicht kostenlos verfügbar, kann hier erworben werden), Annett Meiritz für den Spiegel („Man liest ja so einiges über Sie“) und etwas umfangreicher Laura Himmelreich für den Stern („Der Herrenwitz“, leider online nicht kostenlos komplett verfügbar, über GBI kann er vom 24.1.2013 bezogen werden).

    Keiner von uns ist gefeit vor Ausrutschern und gerade in den letzten Tagen haben wir natürlich auch unser eigenes Verhalten kritisch hinterfragt. Der eine von uns hat sich bei der Frage ertappt, ob er schonmal Frau Himmelreich auf die Brüste geschaut hat, der andere, ob er ihr eindeutig wirkendes Flirten bei einer Hintergrundrecherche über Philipp Rösler missinterpretiert haben könnte. Beide haben wir mit Sicherheit in der Vergangenheit schon doppeldeutige Sprüche gemacht, die man als Sexismus oder Chauvinismus werten könnte. Das macht es aber nicht besser. Wir schwingen bewusst nicht die Moralkeule über irgendjemanden. Aber wir sind fest davon überzeugt: Die deutsche Politik hat ein gewaltiges Problem mit Sexismus und dem Umgang mit Frauen. Wenn Oliver Olpen in der Neuen Presse ein Problem darin ausmacht, dass Politik vor allem ein Männerclub sei, hat er einfach recht. Das sorgt für eine Atmosphäre, die Probleme erzeugt beziehungsweise potenziert … und zwar egal ob bei der CDU, der SPD, den Grünen, der Linken oder eben der FDP. Wenn eine junge Frau nach einer Kandidaturrede auf einem Landesparteitag zu hören bekommt, wie arm ein Mann sei, der sich in sie verliebt, dann ist das genauso wenig hinnehmbar, wie anzügliche Sprüche oder Bitten nach spezieller Kleidung für Termine, nicht gewollte und aufdringliche körperliche Nähe in Sitzungen  oder vieles mehr, was Frauen in der Politik erleben müssen. Die Beispiele vorher stammen übrigens aus drei verschiedenen deutschen Parteien. Dieses Problem zeigt sich auch im Umgang und in den Reaktionen auf manche aktuelle Berichterstattung: Genau wie mancher Pirat mit einer Attitüde zwischen „Sie hat es doch auch gewollt“ und „In Wahrheit hatte sie etwas mit ihm“ auf den Bericht von Frau Meiritz reagiert hat, tun es doch leider auch viele aus den Reihen der FDP auf den Artikel von Frau Himmelreich. Ausdrücklich für unsere Parteifreundinnen und Parteifreunde: Wir waren nicht dabei, wir wissen nicht was passiert ist, aber wir sind der Überzeugung, dass gewisse Kommentierungen der letzten beiden Tage unangemessen waren.

    Aber ist es unter Journalisten wirklich so viel anders? Sind es nicht gerade Journalisten, die Katja Suding oder Silvana Koch-Mehrin immer auf ihr Aussehen reduzieren?

    Uns ist kein Fall bekannt, in dem David McAllister oder Christian Lindner bescheinigt worden wäre, dass sie nur wegen ihres Aussehens Spitzenkandidaten für die CDU in Niedersachsen oder die FDP in Nordrhein-Westfalen gewesen wären. Daniel Bahr war früher das Werbemotiv für FDP-Kandidatenplakate bei einer kompletten Kampagne, ohne dass ihn heute jemand darauf reduzieren würde. Man stelle sich vor, die Liberalen würden eine Plakatserie mit einer gutaussehenden Jungen Liberalen machen: Die Medien würden ihr das ein Leben lang vorhalten, sie auf das Äußere reduzieren und dafür sorgen, dass es ihr schwer fallen würde ernst genommen zu werden. Der Stern selbst schreibt, dass manche Redaktionen bewusst junge Journalistinnen auf Politiker ansetzen. Da darf man sich schon die Frage stellen, an welcher Stelle Journalismus endet und Prostitution anfängt. Die Berliner Medienlandschaft ist mindestens genauso sexistisch wie die Politik. Ein entlarvendes Beispiel hierfür ist unser erster Artikel:

     

    Titel: „Lachsersatz“

    Autorin: Sonja Süß

    Medium: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

    Generelle Glaubwürdigkeit: Mittel. Ihre Reportage dreht sich eigentlich darum, wie hungrig man als freie Journalistin ohne Geld auf einer Wahlkampftour wird. Sie behauptet in einer Jugendherberge 20 Euro ohne Frühstück bezahlt zu haben. Wir haben auf unserer von ihr beschriebenen 72h-Wahlkampftour in Jugendherbergen übernachtet. Das Frühstück war bei uns immer inklusive. Und auf dem Weg zur Jugendherberge in Osnabrück am Ende hatte sie das explizite Angebot mit dem Tourbus mitgenommen zu werden. Wir hätten sie auch zur Pizza in die FDP-Kreisgeschäftsstelle miteingeladen, dann hätte sie sich die 23,80 Euro für das Pizzaessen sparen können. Wir kennen im Übrigen kaum JuLis, die abends mal für 23,80 Euro Pizzaessen gehen. Und was das Eis, spendiert vom JuLi-Bundesvorsitzenden angeht: Tim Braune von dpa hat übrigens auch davon gegessen. Also zumindest drei Fehler, obwohl die FAS behauptet, dass „alles andere stimmt“…

    Zitat zum Thema: „Im Bus gibt Rösler abwechselnd Fernsehinterviews, erzählt den Journalisten von seiner Jugend in Bückeburg und rückt für Tittenblondinen zur Seite, die sich für Erinnerungsfotos zwischen ihn und Birkner auf die Sitze im Bus quetschen.“

    Wir fragen uns, was mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung passiert ist, dass sie den Begriff „Tittenblondine“ für eine adäquate und natürlich vollkommen unsexistische Wortwahl zur Berichterstattung über wen auch immer hält. Bei der 72h-Wahlkampftour der Julis waren über 30 engagierte junge Menschen, die sich für Politik begeistern und ihre Freizeit dafür opfern Wahlkampf zu machen. Im Übrigen gehören das Werben für seine Positionen und damit auch der Wahlkampf zur Demokratie dazu. Und selbstverständlich möchte man viele Eindrücke und Erinnerungen von solch einer Tour mitnehmen, so dass auch Fotos gemacht werden. Warum wird jetzt also eine junge Frau, die sich in ihrer Freizeit politisch engagiert in der FAS auf ihre Haarfarbe und ihre Brüste reduziert? Hat die Autorin überhaupt mal ein Wort mit ihr geredet? Hat die Autorin sie mal gefragt, weshalb sie sich engagiert? Wäre das nicht ein anspruchsvollerer Inhalt gewesen, als die Abhandlung über Fischbrötchen? Wer sollte mit diesem Sexismus diskreditiert werden? Rösler, die Jungen Liberalen oder die junge Frau? Eine Entschuldigung der Chefredaktion und der zuständigen Journalistin bei den Betroffenen in der FAS am kommenden Sonntag wäre eine angemessene Reaktion. Wir haben eine Vermutung, wer gemeint sein könnte und warten bis dahin auf den Aufschrei der deutschen Medien über den Sexismus der FAS.  Diesen Aufschrei gab es – zu Recht – bei unserem zweiten Artikel:

     

    Titel: “Man liest ja so einiges über Sie“

    Autorin: Annett Meiritz

    Medium: DER SPIEGEL und Spiegel online

    Generelle Glaubwürdigkeit: Leider hoch, uns sind bei dem Zitat sofort mehrere Personen aus unseren eigenen Reihen eingefallen, von denen manche Aussage stammen könnte. Die Wahrheit des Teils über die Piraten können und wollen wir auch nicht beurteilen. Vielmehr zeigt der Artikel auf, dass Sexismus in der Politik vorkommt, ebenso wie in der Gesellschaft, was aber nicht als Ausrede genutzt werden darf.

    Zitat zum Thema:  „Es fühlt sich nicht gut an, wenn mir ein Europaparlamentarier im Vorbeigehen eine Visitenkarte in die Hand drückt, sein Gesicht nah heranschiebt und murmelt: „Sie können sich immer melden. Egal, worum es geht.“

    Leider fielen uns sofort einige Abgeordnete ein, von denen ein solcher Spruch stammen könnte. Insgesamt kann man festhalten, dass dieser Artikel wohl in seinem allgemeinen Teil am ausgewogensten darstellt, warum und wie sich Sexismus in der Politik – auch jenseits der Extremfälle der Piraten – hält. Politik ist überwiegend eine Männerveranstaltung und daher versehen mit einem Überschuss an Testosteron. Und dieser Überschuss muss raus. Er endet dann häufig in einem verbalen Brunftkampf. Da gibt es keine Unterschiede zwischen den Männergesprächen abends an der Bar nach Parteitagen und den Männergesprächen in der Umkleidekabine nach einem Fußballspiel der 3. Kreisklasse. Alle, die darin einen plumpen Vergleich vermuten, möchten wir bitten, sich in die Situation der Autorin hineinzuversetzen. Nein, nicht in die Autorin, sondern in den Gesprächspartner nach Ende des Gesprächs: Parteitagsabend. Ihr habt gerade abends beim Essen lange mit der Journalistin gesprochen. Nach dem Gespräch verlässt sie den geselligen Abend, ihr bleibt noch. Ihr geht zurück an die Bar, wollt mit den anderen Delegierten (vermutlich nur Männer) noch etwas trinken. Ihr werdet auf die Situation angesprochen. Vermutlich nicht mit den Worten „War das Gespräch mit der Journalistin erkenntnisreich für beide Seiten?“, sondern eher mit den Worten „Na, was ging da mit der Kleinen?“ Und jetzt die Frage an Euch, was würdet Ihr – mal ehrlich – antworten?

    Und das ist ein Problem. Die Erfahrungen, die wir aus allen deutschen Parteien gehört haben und aus unserer eigenen Partei kennen, sprechen da leider eine eindeutige Sprache. Das zeigt Frau Meiritz in einem sauber ausgearbeiteten Bericht ohne Andeutungen und Unterstellungen auf, im Gegensatz zu unserem dritten Artikel:

     

    Titel: „Der Herrenwitz“

    Autorin: Laura Himmelreich

    Medium: Stern

    Generelle Glaubwürdigkeit: Durchwachsen. Manchen zotigen Spruch trauen wir Rainer Brüderle zu, aber insbesondere das Timing einen Tag nach der Nominierung als Spitzenkandidat und ein Jahr nach dem beschriebenen Ereignis lässt die Motivlage des Stern zumindest fraglich erscheinen. Wir waren nicht dabei und können weder belegen, noch widerlegen, was die Autorin schildert.  Mancher Spruch erscheint uns glaubwürdig, manche andere Behauptung weniger. Aber die Ehefrau von Rainer Brüderle in den Artikel mit hineinzuziehen ist journalistisch mehr als unsauber und die Bildunterschrift mag lustig klingen, ist aber nicht mehr als eine Beleidigung.

    Zitat zum Thema: „Katja, komm doch mal her. Du siehst doch gut aus“, sagt er. Im Gegensatz zu dem männlichen Kollegen durfte sie auf dem Podium nichts sagen. Sie war für die Optik da. „Ich gehör da gar nicht hin“, sagt Suding.

    Das Zitat macht eines der Probleme des latenten Sexismus deutlich, den Medien und Politik teilen. Frauen werden häufig auf ihr Äußeres reduziert. Jeder – egal ob jung oder alt – sollte manchen Spruch kritisch hinterfragen. Das hat nichts mit übertriebener politischer Korrektheit zu tun, sondern einfach damit, dass das etwas, was vom einen als normal aufgefasst wird, von anderen als verletzend oder sexistisch wahrgenommen wird. Man kann darüber streiten, warum Laura Himmelreich erst nach einem Jahr just einen Tag nach der Nominierung von Rainer Brüderle zum Spitzenmann der FDP diesen Artikel veröffentlicht. Man kann darüber streiten, ob die Interpretation des Dirndl-Spruches nach einem Oktoberfest-Spruch nicht als etwas ein krudes Kompliment gedacht war. Man kann darüber streiten, ob der Spruch, dass Politiker jungen Journalistinnen verfallen, sonderlich geschickt ist. Aber deshalb zu unterstellen, dass Frau Himmelreich dies befördert hätte, klingt zu sehr nach der „Sie hat es doch auch gewollt“-Logik mit der man sich alles erlauben könnte. Und nur zum Hintergrund, warum es nichts Ungewöhnliches ist, dass an der Hotelbar Journalistengespräche auch um ein Uhr nachts geführt werden: Das ist der Hauptsinn dieser Baraufenthalte. Nur dafür tingeln Staatssekretäre, Präsidiumsmitglieder und Fraktionsvorstand nachts von Tisch zu Tisch. Nur dafür reisen der JuLi-Bundesvorsitzende und der JuLi-Bundespressesprecher an. Und dann spricht man als JuLi-Bundesvorsitzender auch nachts um halb drei eben noch mit Journalisten. Aber eben nicht nur über Politik und so kann der Juli-Bundesvorsitzende nach einem Gespräch mit Laura Himmelreich mit Sicherheit behaupten, dass er ihren ehemaligen Mitbewohner zu Studentenzeiten kennt, aber nicht mehr sagen, wo er vor zwei Jahren überall hingesehen bzw. nicht hingesehen hat. Nur der schwule Ombudsmann kann sicher sagen, dass er ihr, bei ihrer Hintergrundrecherche über Philipp Rösler beim Buko in Gütersloh, nicht auf die Brüste geschaut hat, sondern sich gefragt hat, wann sie merkt, dass er nicht (reden) will.

     

    Liebe JuLis, ja, die deutsche Politik hat ein Sexismus-Problem – die CDU, die SPD, die Grünen, die Linken genauso wie unsere FDP – das sollten wir nicht wegreden.

    Liebe Medien, ja, die deutschen Medien haben ein Sexismus-Problem – die FAS genau wie der Stern – das sollten Sie nicht wegreden.

    Lassen Sie uns gemeinsam und sachlich darüber reden und dagegen kämpfen, anstatt journalistisch unsaubere Unterstellungen, Beschuldigungen und Effekthaschereien zu forcieren.

     

     

    Über die Autoren:

    Lasse Becker ist Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen.
    Björn Försterling ist niedersächsischer Landtagsabgeordneter und Bundesombudsmann der Jungen Liberalen.
    Beide haben zusammen mit vielen anderen JuLis vor zwei Jahren gemeinsam die Initiative gestartet, die Umgangsformen bei den Jungen Liberalen kritisch zu hinterfragen.

  • Lotusblume statt Wasserpest

    Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung zu den Kommentaren von Daniela Kuhr und Heribert Prantl:

    Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion der Süddeutschen Zeitung,

    lotusblumeIhr Kollege Heribert Prantl verglich die FDP mit der „Wasserpest“, weil sie ihr „neoliberales“ politisches Programm überall verbreiten wolle.  Damit tut Herr Prantl uns – sicherlich ungewollt – den Gefallen, den fundamentalen Unterschied zwischen seiner Weltsicht und einer liberalen direkt in seinem Kommentar mitzuliefern: Anders als Herr Prantl, der in seinem Artikel mit absoluter Selbstverständlichkeit Behauptungen darüber aufstellt, was „die Bürger“ wollen und was nicht, sind wir Liberale fest davon überzeugt, dass nur einer am besten weiß, was „der Bürger“ will: „Der Bürger“ selbst.

    Aufgrund dieser Freiheitsliebe fordern wir Jungen Liberalen die Abschaffung des Ehegattensplittings. Gebraucht wird stattdessen ein Modell, in dem die steuerlichen Grundfreibeträge aller Familienmitglieder flexibel von denjenigen in Anspruch genommen werden können, die die Familien unterhalten.  Eine bessere Begründung für diese Forderung, als sie Ihre Kollegin Daniela Kuhr nicht einmal einen Monat nach Herrn Prantls Artikel in ihrem Kommentar liefert, hätten wir kaum bieten können. Wird die Süddeutsche jetzt etwa langsam zur „Wasserpest“ oder haben Sie dazugelernt? Es scheint schon sehr doppelzüngig, dass Sie sich einerseits in ihrem Kommentar „Ehegattensplitting – Weg damit!“ selbst modern und liberal geben, inhaltlich sogar eine Forderung der Jungen Liberalen aufgreifen, und dennoch der einzigen liberalen Partei, der FDP, anlasten, die „Wasserpest“ zu sein.

    Wenn Sie bereit wären, auch Wassergewächsen Blüten zuzugestehen, würde Sie vielleicht der nächsten Schritt jungliberaler Politik interessieren: Ausgehend von der Individualbesteuerung kann man, wenn man bereit ist, außerhalb der bestehender Schranken zu denken, auch ein Lebensmodell unterstützen, das darauf baut, dass Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen – unabhängig von Verwandtschaft oder sexueller Beziehung: die Verantwortungsgemeinschaft. Wenn zwei ältere Damen und drei ältere Herren in einer Seniorengemeinschaft füreinander da sind und gegenseitig dafür sorgen, dass keiner von ihnen in ein Altersheim muss, ist das nicht weniger wert als eine gleichgeschlechtliche Ehe oder eine „klassische“ Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern – die heute ohnehin nicht mehr die Lebensrealität vieler Menschen darstellt. Vielleicht stellen Sie beim zweiten Blick fest, dass das was Heribert Prantl irrtümlich für die „Wasserpest“ hielt, beim genauen Hinschauen eine Lotusblume ist.

     

    Mit besten Grüßen

    Ihr Lasse Becker
    Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen

  • Kontur statt Selbstbeschäftigung – was die FDP wirklich braucht

    Vor Dreikönig hat die FDP – allen voran Dirk Niebel und Hermann Otto Solms – mal wieder gezeigt, was die FDP am besten kann: Sich selbst in Knie schießen. So sehr, dass die Welt heutmorgen zurecht über die FDP witzelte, dass die letzte verbliebene liberale Kernkompetenz die „Röslerbekämpfung“ sei.

    Screenshot der Dreikönigsseite der Bundes-FDP

    Einer meiner Vorsätze für das neue Jahr war weniger runterzuschlucken: Es gab in den letzten Tagen viele gute Artikel, die die Facetten des Problems der FDP journalistisch beleuchtet haben – von Ulf Poschardt in der Welt bis Christoph Giesa in The European. Ganz kurz für mich zusammengefasst:

    Wenn mich heutabend an der Bar im Maritim ein Journalist fragt, ob ich mit der Leistung von Philipp Rösler als Parteivorsitzender bisher zufrieden bin, werde ich „Nein“ antworten. Wenn mich aber jemand fragt, ob ich mit der Leistung von Dirk Niebel und anderen Präsidiumsmitgliedern noch unzufriedener bin, werde ich „Ja“ antworten. Um es auf Deutsch auszudrücken: Ich könnte kotzen, wenn ich einen Haufen mit so vielen selbstverliebten Egomanen in der Führungsspitze meiner Partei sehe, denen jeweils ihr eigenes Wohl wichtiger als die Zukunft der einzig liberalen politischen Kraft in Deutschland ist. Wer nicht weiß, wer im Präsidium sitzt, kann dies gern auf fdp.de nachschauen . Und ich bin enttäuscht von fast allen davon. Das Teamplay – oder eben mehr das wilde Schlamm-Catchen – dieser Runde regt mich nur noch auf.

    Kurz zusammenfassen kann man das mit dem Zitat meines Stellvertreters Konstantin Kuhle sagen:

    „Den Menschen in Niedersachsen sind das Schicksal von Philipp Rösler, die Zukunft von Rainer Brüderle und das Ego von Dirk Niebel herzlich egal, denen geht es um Politik.“

    Eine Partei muss mit Inhalten wahrgenommen werden, egal, ob es eine gute Reform im BMZ oder erfolgreiche Wirtschaftsreisen im BMWi sind. Die FDP muss in diesem Jahr wieder Profil gewinnen, deshalb ist der Vorstoß, über Privatisierung unsinnigster Einrichtung wie der BImA (jeder private Immobiliendienstleister würde bei so viel Inkompetenz wohl freiwillig dicht machen) und strikte Sparmaßnahmen den Haushalt zu konsolidieren, richtig. Genauso wichtig ist es aber beim Schutz der Bürgerrechte, bei den Aufstiegschancen durch Bildung und Weiterbildung und bei einer modernen Gesellschaftspolitik Akzente zu setzen. Das müssen wir Liberalen schaffen, als ein liberaler Reformmotor nicht nur in der Wirtschaftspolitik, sondern auch bei Bürgerrechten, Haushaltspolitik und gesellschaftlichen Fragen wieder wahrgenommen zu werden.

    Das wünsche ich mir für 2013 – und ein paar Egomanen weniger in der Parteispitze wären auch ganz schön. Das muss ich dann wohl selbst beeinflussen. Beim Bundesparteitag in Nürnberg.

  • Wie kommen wir nach Europa – der Weg hin zur Vision des Europäischen Bundesstaates

    Baustelle Europa

    Letzte Woche in Brüssel habe ich eine interessante Geschichte eines nordrhein-westfälischen MdEP gehört: Bei einer Abendveranstaltung in NRW fragte einer der Zuhörer: „Wo kommen Sie denn her, aus Brüssel ist es ja immer ein bisschen weiter.“ Auf die Antwort, dass vorher ein Termin in Berlin stattgefunden hätte, kam die Erwiderung: „Ach, dann hatten Sie es ja heute nicht so weit.“

    Gefühlt sind knapp zwei Stunden von Köln nach Brüssel (ICE) also länger als die knapp fünf Stunden von Köln nach Berlin (ICE). Wie kommen wir dahin, dass sich das ändert? Und was sind die Wege hin zu unserer Vision der Zukunft Europas. Dazu durfte ich auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in der Hessischen Landesvertretung diskutieren.

    Die Vision: Aufwachen in den Föderalen Nationen Europas

    Wenn ich träumen darf und dabei in der Zukunft aufwachen würde … wie würde ich mir wünschen, dass dann Europa aussieht?

    Aufwachen würde ich dann am liebsten in einer neuen Gemeinschaft, den Föderalen Nationen Europas (ich mag diese ständige Vereinigte Staaten-Analogie nicht).

    Das heißt für mich in einer Föderation, bei der jedes Land seine eigenen Besonderheiten in einer föderalen Struktur behalten konnte, gleichzeitig aber wichtige gemeinsame Aufgaben in der Außenvertretung gemeinsam geschultert werden. Dazu gehört klare Subsidiarität und nicht so ein verquaster Föderalismus wie in Deutschland.

    Wichtiger als diese Vision ist aber der Weg dorthin, bei dem wir JuLis uns teils ganz konkrete, teils aber auch weniger konkrete Gedanken gemacht haben. Auf dem Podium haben wir gestern länger und kontrovers diskutiert, wie wichtig die Finalitätsdiskussion überhaupt ist. Ich bin überzeugt, dass die Finalitätsfrage nicht alles entscheidet, aber wir eben doch das Ziel festlegen sollten, bevor wir uns entscheiden loszugehen, deshalb finde ich sie im Gegensatz zu Rainer Stinner und Prof. Dr. Ludger Kühnhardt auch nicht vernachlässigbar. Wichtiger ist aber:

    Der Weg: Echte Demokratie, mehr Zuständigkeiten, aber auch Rückverlagerung von Zuständigkeiten

    Denn nur über das konkrete politische Handeln also den Weg hin zum Bundesstaat können wir gerade junge Menschen wieder für Europa begeistern. Gerade für jüngere Menschen ist es eine solche Selbstverständlichkeit in Frieden zu leben, dass wir diese Errungenschaft Europas gar nicht mehr in gleichem Maße wie unsere Eltern und Großeltern wahrnehmen. Aber spätestens, wenn man das erste Mal wieder ein Visum für die Einreise in ein Land außerhalb Europas braucht und den Pass vorzeigen muss, spürt jeder von uns drastisch: Europa bringt uns – trotz aller Kritik – sehr viel Freiheit jeden Tag.

    Während der Diskussion in der Hessischen Landesvertretung

    Während der Diskussionsrunde auf Einladung der Naumann-Stiftung in Brüssel

    Damit aber die Akzeptanz der positiven Geschichte Europas weiter bzw. wieder steigt, müssen sich Europa und die Europäische Union schnell demokratisieren: Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Wahlsystem für das Europaparlament, bei dem zumindest in einem ersten Schritt ein Teil der Mandate europaweit vergeben wird. Bei den Europawahlen sollten deshalb die Parteien auch gemeinsame europaweite Kampagnen aufbauen, damit die FDP in Deutschland das gleiche Motiv und die gleichen Inhalte in den Mittelpunkt stellt, wie die LibDems im Vereinigten Königreich, Svenska folkpartiet in Finnland oder Italia dei Valori in Italien. Damit würden wir einen ersten Schritt hin zu einer gemeinsamen Öffentlichkeit schaffen. Auf dem Podium wurden auch gemeinsame Polit-Talkshows auf Anregung von Prof. Kühnhardt und Marco Incerti diskutiert. Prinzipiell eine gute Idee, die aber nur funktioniert, wenn man europaweit abgestimmte Programme vertritt.

    Daneben sollte aber auch der Rat den Mut finden, sich zu demokratisieren: Langfristig brauchen wir eine zweite Kammer, einen Senat, für das Europaparlament und keine Mischform von Exekutive und Legislative. Zwei Senatoren pro Mitgliedsstaat könnten wesentlich stärker legitimiert die Interessen dort vertreten als ein wildes Konvolut von Fachministern.

    Zentral für die Akzeptanz – gerade in der aktuellen Krise – sind aber auch Selbstreflexion und Aufgabenkritik in Brüssel: Gerade als Konsequenz in der Krise brauchen wir einerseits in zentralen Fragen der Haushaltsdisziplin und zum Beispiel auch der Vertretung nach außen mehr Kompetenzen in Europa. Aber auf der anderen Seite sollte die Europäische Union auch endlich den Mut finden, zu sagen, welche Dinge subsidiär bei den Mitgliedsstaaten aufgehoben sind:

    Die Agrarpolitik und manche Teil der Regionalförderung würden sicher besser noch nicht mal auf die Nationalstaatsebene, sondern regional zugeordnet werden, geschweige denn in Brüssel zu behandeln sein.

    Das sind nur einige sehr grundsätzliche Felder, die man dringend angehen sollte, klar ist für mich aber: Die Frage, mehr oder weniger Europa sollte nicht von Krisenlaunen abhängen, sondern langfristig und überlegt berücksichtigen, was gut ist:

    Für Europa und seine Bürger in einer multipolaren Welt.