
Wir Politiker müssen uns Reflexe abtrainieren und wieder Kanten gewinnen
Am vergangenen Sonntag durfte ich bei Peter Hahne im ZDF über Politik(er)verdrossenheit diskutieren. Mein Gesprächspartner war der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber. Da dreißig Minuten für ein so wichtiges Thema kaum ausreichen, möchte ich hier noch ein paar Gedanken etwas weiterspinnen:
Der zentrale Punkt ist aus meiner Sicht – und das kam übrigens auch als einer der Punkte bei der Online-Diskussion vorab auf Facebook, Twitter, Xing und Google plus – Politiker müssen sich ihre Reflexe abtrainieren.
Das Beispiel von Katharina Hiery, dass die Rücktrittsforderung an Wowereit – z.B. von Cem Özdemir – vollkommen vorhersehbar ist, ist eines der Probleme. Politiker, die nur ihre Standardrolle spielen, verlieren stark an Authentizität. Auf der anderen Seite muss man auch deutlich machen, dass das nicht „DIE POLITIK“ ist: Die ehrenamtliche Arbeit muss sichtbarer werden. 99% der Politiker sind ehrenamtliche Kommunalpolitiker vor Ort oder ehrenamtliche Politiker auf Landes- und Bundesebene.
Wir brauchen gerade vor Ort bei den Menschen pragmatische und lösungsorientierte Ansätze. Leider ist auch die Kommunalpolitik in diesem Zusammenhang nicht immer vor Negativbeispielen gefeit: In der Gemeinde Schauenburg, in der ich aufgewachsen bin, hat ein Bürger ein Verkehrsschild freiwillig auf sein Grundstück genommen, damit Kinderwagen und Rollstühle den Bürgersteig nutzen können. Wenn danach die CDU-Bürgermeisterin mit Anzeigen droht, dann schürt das nur Politikverdrossenheit.
Generell ist ein intensiverer Austausch bei hauptamtlichen Politikern nötig. Deshalb finde ich, dass jeder Hauptamtler auch mal raus aus der Politik sollte. Egal ob Mißfelder, Trittin oder Nahles: Ich bin für festgelegte Wiederwahlgrenzen – ähnlich dem Präsidentenamt: Niemand sollte mehr als vier Mal in das gleiche Parlament gewählt werden können. Aber das ist meine private Meinung und nicht FDP-Beschlusslage.
In den Strukturen muss Politik sich öffnen. Ich hoffe, dass meine FDP nach ihrer außerparlamentarischen Zeit den Mut hat, mit mehr Mitgliederentscheiden, Ur- und Vorwahlen und Diskussion im Internet wie vor Ort, für Transparenz und Offenheit einzutreten, wie keine andere Partei. Zur Offenheit von Politik gehört auch, dass wir unsere eigenen Strukturen hinterfragen: Für einen alleinerziehenden Vater oder eine Frau, die beruflich erfolgreich ist, ist ehrenamtliche Politik kaum möglich. Parteitage sind immer am Wochenende (bei uns) oder immer unter der Woche (SPD und Union). Flexiblere Formate müssen entwickelt werden und Politik muss raus aus den Hinterzimmern: Vorstandssitzungen um 18 Uhr sind für Berufstätige genauso unmöglich wie eine Sitzung bis 23:30 Uhr für berufstätige Eltern. Die Politiker müssen aus dem Trott, des „Das haben wir schon immer so gemacht“ rauskommen.
Es gehört für mich aber auch dazu, dass Politiker mal etwas sagen, was nicht dem Mainstream entspricht, ohne dass sich sofort alle darauf stürzen. Wir müssen uns wieder Meinungsvielfalt angewöhnen. Denn im politischen gibt es – wie bei Hahne schon gesagt und von Huber leider bewusst missverstanden – nicht den einen richtigen Weg, sondern nur die Diskussion um den richtigen Weg. Die Politik braucht dafür mehr Wolfgang Kubicki und weniger glattgeschliffene Kieselsteinchen. Aber wir brauchen auch Journalisten, die das sichtbar machen. Die Kieselsteine sind erstaunlich erfolgreich.
Neben all diesen Punkten bleibt der wichtigste Punkt:
Inhalte.
Wer nur negativ sagt, was er nicht will und wer die Dinge, die er vor der Wahl fordert nach der Wahl nicht umsetzt, wird dafür bestraft.
Deshalb hoffe ich, dass meine FDP sich klar positioniert: mit eigenen Konzepten für mehr Leistungsgerechtigkeit und Jobs, mit eigenen Konzepten für Aufstiegschancen und gute Bildung und für den Schutz der Bürgerrechte und Freiheit im Internet.
Damit wird man nicht sofort Glaubwürdigkeit bei allen Menschen zurückgewinnen, aber man wird nachhaltiger wieder nach oben kommen, als mit dem kurzen Feuerwerk einer noch so lauten Kampagne oder eines Einzelthemas. Davon bin ich fest überzeugt.
Hier geht es zur Mediathek des ZDF und der Diskussion bei „Peter Hahne“:
