Hydraulic Fracturing – Chancen und Risiken in Deutschland und Europa

Aktuell wird das sogenannte „Fracking“, korrekter Hydraulic Fracturing, durch die Gesetzesinitiative der Bundesregierung wieder stärker öffentlich diskutiert. Im vergangenen Herbst hatte ich die Möglichkeit auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in die USA zu reisen und dort einerseits in Washington D.C. mit Think Tanks der Regierung, Vertretern der Wirtschaft, Umweltverbänden, aber auch mit Mitarbeitern aus dem Kongress dieses Thema im Rahmen einer Diskussionsreise zu diskutieren und die Orte des Geschehens mir anzuschauen (das Bild zeigt ein Fracking-Pad in Pennsylvania im normalen Produktionsbetrieb). Dr. Dennis Schmidt-Bordemann hat hierzu bereits einen umfassenden Bericht verfasst, der einen detaillierten Überblick über die Diskussionen in den USA gibt. Weiterhin gibt es von unserem Gesprächspartner Congressman Tim Murphy auch einen Gastbeitrag im Tagesspiegel zum Thema. Ich möchte hier – mit Blick auf die Diskussion in Deutschland und Europa noch einige Details (sowie meine persönliche Meinung) ergänzen und kurz zusammenfassen:

Die Fakten in den USA

Die USA sind durch unkonventionelle Gasgewinnung vom Erdgasimporteur zum Erdgasexporteur geworden. Verglichen mit Deutschland findet das Hydraulic Fracturing in erheblich weniger dicht besiedeltem Raum statt – selbst das besuchte Gebiet in Pennsylvania ist weniger dicht besiedelt als viele Teile Deutschlands.

Weder sind ständig brennende Bohrtürme zu sehen, noch kommt es zu brennenden Wasserhähnen aufgrund der unkonventionellen Gasförderung.

Stattdessen werden insbesondere durch hohes Aufkommen von LKWs zur Wasserentsorgung im ländlichen Raum und Lärmbelästigungen in der Bohrphase (einige Monate) höhere Belastungen für die Bevölkerung festgestellt.

Die Bevölkerung profitiert andererseits auch direkt davon, da die Förderrechte in den USA dem Grundbesitzer gehören und hieraus erhebliche Einnahmen sowohl für die Besitzer der Production-Pads als auch auch für die Besitzer der Ländereien, unter denen horizontale Förderungen liegen, resultieren. In einzelnen Bundesstaaten gibt es gesetzliche Regelungen, dass darüber hinaus die staatlichen Einnahmen nach einem festen Schlüssel den Regionen der Förderung und dem Bundesstaat zufließen.

Städte wie Pittsburgh, die einen erheblichen Bevölkerungsrückgang zu verkraften hatten, konnten diesen Trend umkehren und sind in den letzten Jahren wieder gewachsen, bzw. nahezu geboomt.

Auch bei alternativen unkonventionellen Methoden der Ölförderung zeigt sich ein ähnliches Bild. Aufgrund höherer Kosten erreicht dies jedoch seltener die Wirtschaftlichkeitsgrenze. Anzumerken ist, dass unsere Gespräche bei einem etwas höheren Öl-/Gaspreis stattgefunden haben. Die OPEC hält aktuell ihre Förderquoten auch hoch, um die Konkurrenzfähigkeit unkonventioneller Förderung in den USA zu verringern.

Die Fakten in Deutschland

In Deutschland findet Gasgewinnung schon heute vor allem in Teilen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens konventionell statt. Diese Gebiete gehören r nicht alle zu den am stärksten verdichteten Räumen Deutschlands, sind aber erheblich dichter besiedelt als die besichtigten Gegenden in den USA:

Die Bevölkerung würde in Deutschland nicht direkt von der Förderung profitieren, da die unterirdischen Förderrechte bei uns nicht den Grundbesitzern gehören. Stattdessen würden die jeweiligen Gemeinden der Produktionsstätten – also nicht alle Gemeinden unter denen ein Rohr verläuft – über die Gewerbesteuer profitieren. Indirekt würden hierdurch auch Kreise, Länder und der Bund profitieren.

Die in Deutschland angedachten Regionen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind stark landwirtschaftlich geprägt.

Der subjektive Eindruck in den USA

In den USA freut man sich darüber, dass Regionen, die bisher abgehängt waren, wieder boomen. Gleichzeitig wurde (zumindest anfangs) der Shale Gas Boom auch von den Umweltverbänden größtenteils begrüßt, da durch ihn die erheblich dreckigere Kohleenergiegewinnung verdrängt wurde.

Dieser Trend hat sich in letzter Zeit umgekehrt, da die hohe Wettbewerbsfähigkeit unkonventioneller Gasförderung in den USA teils auch spürbar zu Lasten eines stärkeren Umstiegs auf erneuerbare Energien ging. Im Gegensatz zu diesem ist sie jedoch grundlastfähig.

Vor Ort wurden die erheblichen Belastungen in der Bohrungsphase sowie die Belastungen durch nicht ans Rohrsystem angeschlossene Produktionsstätten besonders benannt: Dies kann bis zu 80 tägliche Fahrten von Tanklastzügen zur Entsorgung des Abwassers nötig machen, was gerade im ländlichen Raum ungewohnt war.

Die einzelnen Personen und Unternehmen in den Regionen stellen positive Aspekte wesentlich stärker in den Mittelpunkt: Für einen älteren Herrn hat die Linzenzgebühr eine komplette Rente ermöglicht (ehemaliger Landwirt, der nur noch einige Acres besitzt, aber für eine darunter verlaufende Bohrstrecke mehrere Millionen erhielt) oder wird mittelfristig den defizitären Flughafen von Pittsburgh finanziert.

Wirtschaftlich rentierte sich die Produktion zumindest bei den Öl- und Gaspreisen im Spätherbst 2014.

Der subjektive Eindruck in Deutschland

In Deutschland gibt es kaum jemanden, der Hydraulic Fracturing nicht kritisch sieht, meist aufgrund vermeintlich drohender brennender Wasserhähne oder der Bohrtürme in der Nähe. Beides konnten wir in den USA nicht antreffen.

Über die Erfahrungen der Belastungen durch LKW-Verkehr wird in Deutschland weniger diskutiert, wobei dieser auch wegen der dichteren Infrastruktur (für Abwasserleitungen) weniger problematisch sein dürfte.

Das komplette System der privaten Anreize entfällt in Deutschland.

Bei Gesprächen mit Finanzinstitutionen wurde eine relativ hohe Skepsis zur Rentabilität von entsprechenden Projekten in Deutschland deutlich. Generell ist eine Einschätzung aufgrund der fehlenden exakten Informationen über Lagerstätten in Deutschland kaum möglich.

In anderen (insbesondere osteuropäischen) Ländern wird erheblich höhere Rentabilität erwartet.

Rahmen in den USA

Die Gesetzgebung für die umweltpolitischen Rahmenbedingungen in den USA liegt auf Ebene der Bundesstaaten. Es ist politisch mehr als unwahrscheinlich, dass sich dies mittel- oder langfristig ändern wird.

Deshalb gibt es auf Bundesebene vor allem Initiativen von Think Tanks, Stiftungen und Unternehmen, um für mehr Transparenz zu sorgen: Informationsplattformen werden hierzu aktuell erstellt.

Die Regelungen in den Bundesstaaten sind sehr unterschiedlich und verglichen mit deutschen Umwelt- und Wasserschutzstandards wohl meist als niedrig einzustufen.

Gleichzeitig gibt es aber einen Trend, dass es zu höheren Umweltstandards durch Absprachen und Zertifizierungen kommt. So führt das Center for Sustainable Shale Development in Pittsburgh einen erheblich weiter gehenden Umweltstandard ein, für den sich aktuell mehrere Firmen zertifizieren lassen. Dieser Standard wurde gemeinsam von Umweltverbänden (u.a. Environmental Defense Fund), Produzenten (z.B. Consol Energy) und unabhängigen Wissenschaftlern (z.B. emeritierte Präsidenten hochangesehener Universitäten) entwickelt und implementiert.

Übrigens setzt sich die zur Förderung genutzte Flüssigkeit zu 99,5 Prozent aus Wasser und Sand zusammen (weil in Deutschland häufig von einer Mischung aus Chemikalien gesprochen wird). Nur der kleine Rest sind Chemikalien, die jedoch aufgrund eines hohen Wasserbedarfs immer noch zu hohen Gesamtmengen führen. Weshalb im Zertifizierungsprozess z.B. dem Wasserrecycling eine besondere Bedeutung zukommt. Hier wurden die Zielvorgaben in der Vergangenheit in den USA teils sogar übererfüllt.

Rahmen in Deutschland

In Deutschland sind zentrale Fragen der Umweltpolitik auf Bundesebene gebündelt, so dass hieraus sich die aktuelle Diskussion auf Bundesebene ergibt.

Gleichzeitig haben die Bundesländer jedoch insbesondere im Bergrecht auch heute noch starke Einflussmöglichkeiten, so dass z.B. in Niedersachsen konventionelle Fördermethoden lange angewendet wurden und werden.

Private Initiativen zur Zertifizierung oder auch zur Definition von Informationsstandards in einer Branche sind in Deutschland unüblich.

Zusammenfassende Bewertung

Meine persönliche sowohl auf Fakten als auch auf eigenen Eindrücken beruhende Bewertung lautet: Hydraulic Fracturing wird sich in Deutschland wohl nicht durchsetzen. Das liegt meiner Einschätzung nach daran, dass die vermuteten Vorkommen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in den falschen Gebieten liegen. In Mecklenburg-Vorpommern oder in Brandenburg im weniger dicht besiedelten und ärmeren Raum sähe die Bewertung wohl anders aus.

Insgesamt scheint mir die Hysterie und Ablehnung in Deutschland insofern massiv übertrieben, als sie die wahren Belastungen wie die LKW-Transporte eher ignoriert und stattdessen vollkommen abstruse Bilder von brennenden Gas- und Ölfeldern in den Raum stellt – zumindest durfte ich dies bei einer Bürgerinitiative einmal erleben.

Vor allem haben mich aber die kritischen Aussagen zur Menge der Lager in Deutschland ebenso wie zur Rentabilität skeptisch werden lassen, sodass zu hinterfragen ist, ob sich das Verfahren in Deutschland überhaupt lohnen kann, wobei hierzu wohl weitere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig und sinnvoll wären.

Geopolitisch hingegen halte ich Hydraulic Fracturing für eine spannende Option und glaube auch, dass sich dies in anderen Teilen Europas, die weniger besiedelt sind und auch noch andere Infrastrukturen vorhalten (z.B. Baltikum oder Polen) durchaus durchsetzen und unseren Energiemix verbessern könnte:

Wir brauchen grundlastfähige Energie und Gas ist so lange die sauberere Alternative zur Kohle, bis wir mit Speichertechnologien wirklich noch stärker erneuerbare Energien nutzen können. Außerdem ist geopolitisch auch eine größere Unabhängigkeit von Russland mehr als attraktiv.


 

Bilder der Reise gibt es hier in meinem Flickr-Account